Matthäus Friedrich Chemnitz

Chemnitz, Matthäus Friedrich.

Autor des Schleswig-Holstein-Liedes

Geboren in Barmstedt am 10. Juni 1815
Gestorben in Altona am 15. März 1870

Matthäus Friedrich Chemnitz wurde als fünftes von 14 Kindern in Barmstedt bei Pinneberg geboren. Sein Vater, ein evangelischer Pastor, unterrichtete ihn bis zur Primarreife. Mit 17 besuchte er für drei Jahre das Altonaer Gymnasium Christianeum. Nach dem Abitur ging er nach Kiel, um sein Studium im Fach Jura an der Christian-Albrechts-Universität aufzunehmen. Auf Schloss Gottorf legte er im Jahr 1840 sein juristisches Staatsexamen ab. Anschließend arbeitete er als Landrichter, Staatsanwalt und Advokat in Schleswig. Dort partizipierte er aktiv am gesellschaftlichen Leben. Chemnitz war Turner und wurde Mitglied des Schleswiger Gesangvereins, dessen Dirigent und Gründer Carl Gottlieb Bellmann (1772–1862), Kantor des St.-Johannis-Klosters vor Schleswig, war.

Das erfolgreiche Sängerfest in Tönning 1843 gab den Anlass für den Schleswiger Gesangverein, ein ähnliches Fest auf die Beine zu stellen. Die Veranstaltung sollte ganz im Zeichen um die Kontroverse der Schleswig-Holstein-Frage stehen, die sich mit der nationalen Zugehörigkeit von Schleswig auseinandersetzte. Daher sollte die Veranstaltung größer sein und auch über die heimischen Grenzen hinweg als eine politische Demonstration Beachtung finden. Es sollte ein eigenes schleswig-holsteinisches Lied gesungen werden. Der ursprüngliche Text des Liedes stammt vom Berliner Rechtsanwalt Karl Friedrich Heinrich Straß und trug den Titel Schleswig-Holstein, schöne Lande. Carl Gottlieb Bellmann komponierte die Musik dazu. Der Text von Straß sagte jedoch den Schleswiger Sängern nicht zu, da er als zu wenig patriotisch wahrgenommen wurde.

Nun schlug Chemnitz große Stunde: Nur wenige Tage vor dem großen Sängerfest dichtete der Jurist in seinem Büro im Stadtweg zu der bereits vorliegenden Melodie das zuerst „Wanke nicht, mein Vaterland“ überschriebene Schleswig-Holstein-Lied, mit dem der Autor genau den richtigen Ton traf.

Bernd Philipsen: Matthäus Friedrich Chemnitz. Liedschreiber mit bemerkenswerter Tenorstimme. SHZ vom 11. 08.2011. Online unter www.shz.de/1578586

Durch die Umdichtung des Liedes verlieh es ihm eine vaterländisch-deutsche Richtung. Im Gegensatz zu Straß hatte er die Landesteile “Schleswig” und “Holstein” mit einem Bindestrich verbunden, anstatt sie mit einem Komma zu trennen:

Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
deutscher Sitte hohe Wacht,
wahre treu, was schwer errungen,
bis ein schönrer Morgen tagt!

Die Verbindung der Landesteile und der eigentliche Liedtitel “Wanke nicht, mein Vaterland” lassen die politischen Forderungen von Chemnitz erkennen: “Er wollte ein geeintes, von Dänemark unabhängiges und deutsches Schleswig-Holstein.” #1 Seine Wünsche werden darüber hinaus auch im weiteren Verlauf der insgesamt sieben Strophen ersichtlich:

 

Ob auch wild die Brandung tose,
Flut auf Flut, von Bai zu Bai:
O, lass blühn in deinem Schoße
deutsche Tugend, deutsche Treu.
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
bleibe treu, mein Vaterland!

Die inoffizielle Landeshymne, die als das Schleswig-Holstein-Lied oder unter dem Titel Schleswig-Holstein meerumschlungen bekannt ist, wurde am 24. Juli 1844 beim großen Sängerfest in der Schleistadt zum ersten Mal aufgeführt, „verbreitete sich schnell in ganz Deutschland als nationaler Hit und wurde auf dem Würzburger Sängerfest 1845 stürmisch gefeiert“. #2 Tausende Menschen waren von ihr begeistert. Doch das patriotische Lied fand nicht überall Gefallen, einige machten ihre Scherze damit.

 

„Schleswig-Holstein, meerumschlungen, handelt nun mit Ochsenzungen“, spöttelten Zeitgenossen. Besonders gehässig äußerte sich Friedrich Engels in einem Brief an Karl Marx vom 18. September 1846 über den Text des Liedes. Die spätere Hymne bezeichnete er als „Dreck“ und „schauderhaftes Lied“, das der 26-jährige Engels parodierte: „Schleswig-Holstein, dumme Jungen, Schleswig-Holstein Affenschand.“

Reinhard Schwarz: „Schleswig-Holstein, meerumschlungen”: Vor 150 Jahren starb der Dichter der Landeshymne. SHZ vom 16. November 2020. Online unter www.shz.de/30286877

1848 wurde für Schleswig-Holstein eine provisorische Regierung gegründet, für die Chemnitz als Beamter tätig war. Nach der gescheiterten Erhebung gegen Dänemark mussten die Revolutionäre, und somit auch Chemnitz, das Land verlassen. Er ging nach Hamburg, wo er für die Hamburger Nachrichten als Redakteur arbeitete. Kurz darauf zog er nach Würzburg, wo er zuerst als Sekretär bei der Main-Dampfschifffahrtsgesellschaft und darauf folgend als Historiker des Polytechnischen Vereins tätig war. 1855 heiratete er Marie Katharine Wittmann, mit der er in Würzburg eine Familie gründete. Erst 1864 war es ihm wieder möglich in seine Heimat zurückzureisen. In Uetersen arbeitete er als Amts- und Klostervogt. Ab 1867 war er in Altona als Amtsrichter beschäftigt. Am 15. März 1870 - mit erst 55 Jahren – verstarb Chemnitz nach jahrelanger Krankheit. Da es zu einem eigenen Grab nicht reichte, ließ ihn ein vermögender Freund in seinem eigenen Erbbegräbnis beisetzen. Die Stadt Altona errichtete im Wohlers-Park (ehemaliger Friedhof Norderreihe) ein Grabdenkmal. In Barmstedt ist die Straße, in der Chemnitz geboren wurde, nach ihm benannt und auf dem Marktplatz dort wurde 1898 für ihn ein Denkmal errichtet, welches nun in der Großen Gärtnerstraße steht. 1957 wurde die Mittelschule nach ihm benannt. In Schleswig befindet sich auf dem sogenannten Schneckenberg, wo das Schleswig-Holstein-Lied erstmals aufgeführt wurde, das 1896 errichtete Chemnitz-Bellmann-Denkmal. Ein weiteres Chemnitz-Denkmal steht in Uetersen, gegenüber des Ludwig-Meyn-Gymnasiums. Gedenktafeln sind in Würzburg in der Maulhardgasse, in Schleswig im Treppenhaus des Hauses, in dem Chemnitz das Schleswig-Holstein-Lied dichtete (Stadtweg 51) und in Hamburg - Altona am Haus Chemnitzstraße 75, in dem er von 1867 bis 1870 wohnte, zu finden. In Hamburger Stadtteil Ottensen steht der Chemnitz-Bellmann-Brunnen, welcher 1909 an der Rainvilleterrasse erbaut wurde.

28.09.2021 Sara Franzese