Johann Heinrich Voß

Voß, Johann Heinrich; Pseudonym: Balthasar Casper Ahorn

Dichter und bedeutender Übersetzer der Epen Homers

Geboren in Sommerstorf am 20. Februar 1751
Gestorben in Heidelberg am 29. März 1826

Er war ein waschechter Norddeutscher, der mit seiner Ehefrau Ernestine Zeit seines Lebens stets plattdeutsch sprach, der als Philologe, Dichter und Übersetzer zu einer im gesamten deutschen Sprachraum berühmten und für die Entwicklung der hochdeutschen Dichtungssprache einflussreichen Autorität wurde. Und er war ein streitbarer Aufklärer, der an den Idealen der Französischen Revolution festhielt, die Vorrechte des Adels kritisch hinterfragte und in seinem letzten Lebensjahrzehnt die restaurativen Tendenzen der Zeit bekämpfte.

Geboren im kleinen mecklenburgischen Kirchdorf Sommerstorf bei Waren, wuchs er im nahen Städtchen Penzlin auf, wo sich sein Vater, der Sohn eines freigelassenen leibeigenen Rademachers aus Großen Luckow, als Zolleinnehmer etabliert hatte und mit seiner Frau, einer Grubenhagener Küsterstochter, eine Gastwirtschaft betrieb. Der junge Johann Heinrich wuchs hier zunächst in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen auf. Nach dem ersten Unterricht auf einer Klippschule besuchte er ab dem achten Lebensjahr die Penzliner Stadtschule, auf der er bereits grundlegende Lateinkenntnisse erwarb und sich als ausgesprochen begabter, wissbegieriger und fleißiger Schüler erwies. Mit dem Siebenjährigen Krieg und der Besetzung Mecklenburg-Schwerins durch preußische Truppen setzte dann jedoch ein nachhaltiger wirtschaftlicher Niedergang der Familie ein. Als 1759 die Stadt Penzlin die von den preußischen Besatzern geforderten hohen Kontributionen nicht aufbringen konnte, wurde Vater Voß – zusammen mit dem Bürgermeister und Apotheker der Stadt – über ein Jahr lang in Stettin als Geisel festgehalten. Trotz der daraus sowie aus dem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang des Landes folgenden Verarmung der Familie konnte der Sohn Johann Heinrich ab dem 15. Lebensjahr noch die weiterführende Lateinschule im benachbarten Neubrandenburg besuchen, was jedoch nur durch vielfache Entbehrungen und durch den Genuss von Freitischen möglich war. Bezeichnend für den zeitlebens zum autodidaktischen Selbststudium neigenden Voß ist, dass ihm die intensive, gleichwohl recht staubige und trockene Wissensvermittlung in dieser Lateinschule alten Musters nicht ausreichte und er eine Geheimgesellschaft gründete, in der bei wöchentlichen Treffen mit einigen Mitschülern selbständig Griechisch und Latein getrieben wurde, in der aber auch begeistert aktuelle deutsche Dichter gelesen und diskutiert wurden.

Nach der Beendigung des Schulbesuchs in Neubrandenburg im Jahr 1769 war sein Bildungsweg dann zunächst einmal beendet: Ein Universitätsstudium war nicht finanzierbar, Voß musste eine Stelle als Hauslehrer auf dem benachbarten adeligen Gut Ankershagen anzutreten. Es wurde eine mehr als zweieinhalbjährige Leidenszeit, in der Voß bei geringem Lohn beständigen Demütigungen ausgesetzt war, und in der in ihm, den schon als Schüler nicht nur ein starker Gerechtigkeitssinn, sondern auch ein ausgeprägtes Ehrgefühl ausgezeichnet hatte, der Keim zu seiner späteren schneidenden Adelskritik, zu seinem lebenslangen Hass auf Standesprivilegien und Adelswillkür gelegt wurde.

Die Rettung aus seiner bedrückenden Lage kam für den Einundzwanzigjährigen dann Anfang 1772, als ihn Heinrich Christian Boie, der Gründer und Herausgeber des Göttinger Musenalmanachs, in die berühmte Universitätsstadt Göttingen holte und ihm durch vielfältige Unterstützung die Aufnahme eines Studiums ermöglichte. Hier erfuhr Voß zum ersten Mal in seinem Leben Anerkennung als Dichter: Bereits Boies Einladung beruhte auf den Gedichten, die Voß ihm von Ankershagen aus gesandt hatte, und der prägende Einfluss der Göttinger Zeit bestand weniger in dem aufgenommenen Studium als vielmehr in der Verbindung zu jenen jungen Dichtern, deren Bund als der »Göttinger Hain« in die Literaturgeschichte eingehen sollte, und die Voß zu ihrem Ältesten machten. Voß stand hier im Mittelpunkt eines jungen, enthusiastischen Literatenzirkels, denen vor allem Ludwig Christian Hölty, Johann Friedrich Hahn, Johann Martin Miller, die Brüder Friedrich Leopold und Christian Stolberg und natürlich der Herausgeber des Musenalmanachs Boie angehörten, und die in dieser Zeit in gewisser Weise die Avantgarde der deutschen Lyriker darstellten. Man traf sich wöchentlich, rezitierte und kritisierte wechselseitig seine neuesten Gedichte, von denen nur die von allen für würdig befundenen in das gemeinsame »Bundesbuch« eingetragen wurden, man ließ den als poetisches Vorbild über alles verehrten Klopstock hochleben und verbrannte mit jugendlichem Tugendpathos die Schriften des als sittenlosen Rokokodichters abgelehnten Wieland. – Voß, der sich als Student der Theologie eingeschrieben hatte, wechselte bald zu den philologischen Studien, und – auch dies von grundlegender Bedeutung für seinen weiteren Lebensweg – lernte Boies Schwester Ernestine zuerst brieflich, dann 1774 bei einer Reise nach Flensburg auch persönlich kennen und lieben. 

Im Frühjahr 1775, nachdem sich der Hainbund durch den Weggang der meisten Mitglieder praktisch aufgelöst hatte, siedelte Voß nach Wandsbek in die unmittelbare Nähe von Matthias Claudius über. Der wichtigste dichterische Ertrag der knapp dreieinhalb Wandsbeker Jahre liegt im Bereich der Idylle, der sich Voß, angeregt durch das Studium Theokrits, bereits gegen Ende der Göttinger Zeit zugewandt hatte (Die Leibeigenschaft, 1774/75). Die hier von ihm begründete neue Form der ›realistischen‹, sozialkritischen Idylle führte er im holsteinischen Wandsbek fort (Die Bleicherin, Das Ständchen), wobei er sich auch der plattdeutschen Sprache bediente (De Geldhapers, De Winterawend).

Gleichzeitig übersetzte Voß intensiv – hier begann er seine Homer-Übersetzung – und schrieb Gedichte, vor allem für seinen Almanach: Heinrich Christian Boie hatte ihm die Herausgabe des Göttinger Musenalmanachs überlassen, den er nun von Wandsbek aus – nach erfolglosen Verhandlungen mit dem bisherigen Göttinger Verleger Dieterich – zunächst im Selbstverlag, dann unter günstigeren Bedingungen bei Bohn in Hamburg weiterführte. Obwohl Voß damit bereits über gewisse, wenn auch nicht allzu sichere Einkünfte verfügte, dauerte es noch bis 1777, ehe Ernestines Mutter zur Einwilligung in die Hochzeit der beiden bewegt werden konnte – einem Kandidaten ohne festes Amt mochte sie ihre Tochter nicht geben, und es bedurfte großer Hartnäckigkeit und am Ende auch eines hart an Erpressung grenzenden Schachzugs der beiden Verlobten, um sie zur Änderung ihrer Meinung zu bewegen. #1

Das von Mutter Boie verlangte Amt bekam Voß dann 1778, als er die Rektorstelle an der Lateinschule in Otterndorf (im Land Hadeln an der Niederelbe) antrat. Die junge, stetig wachsende Familie – von den insgesamt fünf Söhnen war der erste bereits in Wandsbek zur Welt gekommen, zwei weitere wurden in Otterndorf geboren – hatte so ein gesichertes Einkommen, wenn ihr auch die damals in Hadeln grassierende Malaria und Voß die hohe Arbeitsbelastung als Lehrer arg zusetzte, die ihm wenig Zeit für seine Dichtungs- und Übersetzungsprojekte ließ. Im Mittelpunkt der letzteren stand die Vollendung seiner bahnbrechenden Übersetzung von Homers Odüßee, die Voß 1781 im Selbstverlag veröffentlichte. Erstmals trat hier ein Übersetzer auf, der nicht nur das Versmaß des Hexameters, sondern auch mit Wortwahl und Syntax die sprachliche Gestalt des griechischen Originals nachzubilden suchte. Der so von Voß erzeugte ‚homerische Ton‘ ist bis heute prägend für das Bild Homers im Deutschen geblieben:

Sage mir, Muse, die Thaten des vielgewanderten Mannes,
Welcher so weit geirrt, nach der heiligen Troja Zerstörung,
Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat,
Und auf dem Meere so viel' unnennbare Leiden erduldet,
Seine Seele zu retten, und seiner Freunde Zurückkunft.

Homers Odüßee, übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, auf Kosten des Verfassers, 1781, S. 9 (Erster Gesang, V. 1-5).

Aufsätze zur homerischen Weltkunde, die ursprünglich als Teile des Odyssee-Kommentars gedacht waren, folgten in der Otterndorfer Zeit. Außerdem übertrug er aus dem Französischen Dietausend und eine Nacht. Arabische Erzählungen (1781-85) und entwickelte die für ihn auch später charakteristische Bereitschaft zum öffentlich ausgetragenen Streit. So vollzog er nicht allein den Bruch mit seinem ehemaligen akademischen Lehrer, dem Göttinger Philologen Christian Gottlob Heyne (1729–1811), sondern ließ sich auch von Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) in einen heftigen, über mehrere Jahre sich hinziehenden publizistischen Streit verwickeln, bei dem es vordergründig um die korrekte Aussprache des griechischen η im Deutschen, für Voß aber um die grundlegende Verteidigung seines Übersetzungskonzeptes, seiner Wissenschaftsauffassung sowie letztlich seiner persönlichen Ehre überhaupt ging.

Die gesundheitlichen Probleme der Familie und die hohe Arbeitsbelastung in Otterndorf  führten 1782 dazu, dass Voß die ihm von seinem Hainbundfreund Friedrich Leopold Stolberg vermittelte, besser bezahlte und mit größeren Freiheiten verbundene Rektorstelle in Eutin annahm. In Eutin begann nun die literarisch und wissenschaftlich produktivsten beiden Jahrzehnte Vossens (1782-1802): Hier überarbeitete und vollendete er seine Homer-Übersetzung (1793), übersetzte und kommentierte den gesamten Vergil (1789-99) und Ovids Verwandlungen (1798) und begann die 1806 bzw. 1808 veröffentlichten Übertragungen des Horaz, Hesiod und Theokrit. Daneben entstanden gelehrte Abhandlungen zur alten Weltkunde, zur antiken Mythologie (Mythologische Briefe, 1794) und zur Metrik (Zeitmessung der deutschen Sprache, 1802). In der Eutiner Zeit liegt zugleich der Höhepunkt der dichterischen Produktivität Vossens. Sie steht – wie schon in Wandsbek und Otterndorf – in engem Zusammenhang mit dem Musenalmanach, den Voß bis 1800 jährlich von Eutin aus redigierte: Nicht nur den größten Teil seines lyrischen Werks, sondern auch fast alle Idyllen wurden hier zuerst veröffentlicht; nach 1800 dann erlahmte Vossens poetische Produktivität rasch. Auch sein vor allem im 19. Jahrhundert berühmtestes Werk, die drei Luise-Idyllen, wurden in der Eutiner Zeit zunächst 1783/84 separat, dann 1795 gemeinsam in Buchform herausgegeben. In der Luise übertrug Voß sein humanistisch geprägtes Ideal der homerischen Sprache auf die bürgerliche Realität eines idealisierten norddeutschen Pfarrhauses:

Draußen in dunkeler Kühle der zwo breitblättrigen Linden,
Welche, die tägliche Stub' an der Mittagsseite beschattend,
Über das mosige Dach hinsäuselten, schmauste behaglich
Im Schlafrocke der Pfarrer am steinernen Tisch auf dem Sessel,
Den vor dem Winterkamin sein alter künstlicher Hausknecht
Heimlich geschnizt, und mit Weiß und glänzendem Grüne bemalet.
Sorglos saß nun der Greis, von Geliebten umringt, und erfreute
Mit lehrreichem Gespräche sein Herz, und mancher Erzählung.
Küchlein in frohem Gedräng' und das Perlhuhn pickten der Jungfrau
Brot aus der Hand; weil ferne der trozige Hahn mit den Weibern
Harrte des Wurfs, und die trippelnde Taub' und der kollernde Puter.

Johann Heinrich Voß: Luise. Ein ländliches Gedicht in drei Idyllen. Königsberg 1795, S. 7f. (Erste Idylle. Das Fest im Walde, V. 1-11)

Die Luise wurde dann vor allem im 19. Jahrhundert als Darstellung eines bürgerlichen Ideals berühmt und in zahlreichen, meist illustrierten Ausgaben weit verbreitet. Schnell wurde der Schauplatz der Luise – dem Widerspruch des Autors ungeachtet – mit der Gegend um Eutin und Malente identifiziert und im aufkommenden Tourismus werbewirksam ausgeschlachtet. Gleichwohl war das literarisch zuvor unbedeutende Eutin schon zu Vossens Lebzeiten gerade durch ihn zu einem der wichtigen deutschen Literaturorte geworden. Die jährliche Arbeit an seinem Musenalmanach brachte für Voß eine große Zahl brieflicher Kontakte mit zahlreichen Dichtern und Komponisten aus dem gesamten deutschen Sprachraum mit sich – so etwa mit Leopold Friedrich Günther Goeckingk, dem Mitherausgeber der Jahrgänge 1781-1788, und mit Johann Abraham Peter Schulz, Vossens Lieblingskomponisten, der eine große Zahl von Liedvertonungen beisteuerte, die dem Almanach als Notenkupfer beigegeben wurden und sich beim Publikum großer Beliebtheit erfreuten. Neben dem brieflichen Kontakt zu den Hainbundfreunden Johann Martin Miller (1750-1814) und Friedrich Leopold Graf zu Stolberg ist vor allem der Briefwechsel mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) in dieser Zeit sehr umfangreich: Gleim, der Halberstädter Domsekretär, Mäzen und Dichter, hatte nicht nur seit 1776 die (nach Voß) größte Zahl an Beiträgen für den Musenalmanach geliefert, sondern war Voß und seiner Frau Ernestine zunehmend auch als Freund verbunden – eine Freundschaft, die sich durch einen Besuch Vossens im Jahre 1794 in Halberstadt (weitere Besuche folgten 1796, 1797, 1799 und 1802) weiter festigte und bis zu Gleims Tod anhielt.

Auf der ersten Reise zu Gleim machte Voß dann auch im Juni 1794 einen Abstecher nach Weimar, wo er unter anderen Wieland, Herder und Goethe kennenlernte, mit denen er sich vor allem über Übersetzungsfragen und über die antike Metrik austauschte. Doch trotz dieser persönlichen Kontakte zur überregionalen Literaturszene lebte Voß in Eutin literarisch eher isoliert. Zwar gab es etliche bedeutende Dichter und Gelehrte, die den berühmten Rektor in Eutin aufsuchten, doch kaum Freunde, mit denen Voß sich dauerhaft über literarische Fragen austauschen und anregen lassen konnte. Der Hainbundfreund Friedrich Leopold Stolberg war schon ab 1783 kaum noch in Eutin anwesend, und als Stolberg 1793 als Kammerpräsident zurückkehrte, begann sich die Freundschaft zwischen den beiden aufgrund tiefliegender politischer und religiöser Differenzen bald abzukühlen – Stolbergs Konversion zum Katholizismus im Jahr 1800, die den endgültigen Bruch brachte, war nur das Ende eines langen Entfremdungsprozesses. Überhaupt vermied Voß in Eutin gesellschaftlichen Umgang nach Möglichkeit und pflegte nur mit wenigen Freunden und Nachbarn – so dem Arzt und Mathematiker Christoph Friedrich Hellwag – engere Verbindungen. So lebte Voß in Eutin im wesentlichen für seine philologischen und poetischen Arbeiten, die er neben seinen zunehmend als belastend empfundenen pädagogischen Amtspflichten und der Almanachsarbeit mit großer Energie vorantrieb. Voß arbeitete mit einer teilweise an Besessenheit grenzenden Rastlosigkeit – »Deine Arbeitsamkeit ist mir unbegreiflich« schrieb ihm Johann Abraham Peter Schulz, »Ich weiß nicht, wie du es machst, und wie du es aushältst.« Dass diese enorme Produktivität ihn nicht nur – vor allem in den 1790er Jahren – zeitweise reizbar und nervös machte, sondern auch ernste gesundheitliche Probleme nach sich zog, nimmt nicht Wunder. Voß litt zunehmend unter psychosomatischen Erkrankungen, so fast beständig unter Tinnitus, und überlebte eine schwere Hirnentzündung im Dezember 1796 nur mit knapper Not.

Die andauernden gesundheitlichen Probleme brachten ihn dazu, sich bei seinem Dienstherrn, dem Eutiner Fürstbischof und Herzog von Oldenburg um eine Befreiung von seinen Dienstpflichten und um eine Pension zu bemühen, die er im Jahre 1802 auch erhielt. Voß zog mit seiner Familie zunächst nach Jena, wo die Söhne Heinrich und Wilhelm studierten. Hier stand er in engem Kontakt mit dem Aufklärungstheologen Johann Jakob Griesbach (1745-1812), dessen umfangreiche Bibliothek er vor allem zu germanistischen Sprachstudien nutzte. Der Plan zu einem Deutschen Wörterbuch, für das Voß deutsche Autoren des 15. und 16. Jahrhunderts exzerpierte, kam jedoch über umfangreiche Vorstudien nicht hinaus. Durch die räumliche Nähe zu Weimar ergaben sich auch intensivere Kontakte zu Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe – vor allem der letztere bemühte sich um Voß, den er als Kenner der Antike und Autorität in Fragen der Metrik anerkannte und als Ratgeber schätzte. Goethe war es auch, der Voß als Beiträger für die 1804 neugegründete Jenaische Allgemeine Literaturzeitung gewann. Voß veröffentlichte hier eine Reihe von Rezensionen sowie mehrere Aufsätze zur alten Weltkunde und Mythologie.

Zwar bemühte sich Goethe intensiv, Voß in der Nähe Weimars zu halten und verschaffte – sicherlich auch in dieser Nebenabsicht – seinem begabten Sohn Heinrich eine Stelle als Professor am Weimarer Gymnasium. Gleichwohl nahm Voß 1805 einen Ruf als Berater der Universität Heidelberg an, wohin ein Jahr später auch der Sohn Heinrich den Eltern folgte. Voß lebte in Heidelberg weitgehend im Ruhestand und widmete sich in den nun folgenden gut zwanzig Jahren vornehmlich seinen wissenschaftlich-philologischen Interessen. In dieser Zeit entstanden keine eigenen Dichtungen mehr, wohl aber eine Vielzahl weiterer Übersetzungen aus dem Griechischen und Lateinischen (Horaz und Hesiod 1806, Theokrit, Bion und Moschus 1808, Tibull und Lygdamus 1810, Aristo­phanes 1821, Arat 1824, Properz 1830), aber auch eine von Heinrich begonnene und zusammen mit ihm und dem jüngsten Sohn Abraham ausgeführte Übersetzung der Dramen Shakespeares (1818-29). Daneben trat nun der Polemiker Voß in den Vordergrund: Nach anfänglich positiven Kontakten zu den in Heidelberg anwesenden Romantikern geriet er bald in gleichermaßen persönlich wie weltanschaulich geprägte Streitigkeiten mit Clemens Brentano, Joseph Görres und Achim von Arnim, vor allem aber mit dem Altphilologen Friedrich Creuzer (1771-1858), dessen entschieden romantisch ausgerichteten Mythenforschungen (Symbolik, 1810-23) Voß in seiner Antisymbolik (1824-26) mit grobkörniger Rhetorik entgegentrat. – Großes Aufsehen machte 1819 die späte persönliche Abrechnung mit dem ehemaligen Freund Stolberg in der Streitschrift Wie ward Friz Stolberg ein Unfreier? Mit ihr reagierte Voß auf die von ihm erbittert abgelehnten restaurativen Tendenzen der Zeit, auf das historische Bündnis von Absolutismus, Aristokratie und katholischem Klerus, für das er Stolbergs Haltung und dessen persönliche Entwicklung als exemplarisch ansah.

In Eutin erinnert an ihn eine von Ludwig Täger geschaffene Bronzebüste vor der Weber-Schule in der Plöner Straße. Sein ehemaliges Eutiner Wohnhaus, das alte Rektorhaus und spätere Hotel "Voss-Haus" am Voßplatz, fiel 2006 einem Brand zum Opfer. 2019 wurde an gleicher Stelle ein neues Gebäude errichtet, dessen Fassade dem alten Voß-Haus nachempfunden wurde. Die heutige Johann-Heinrich-Voß-Schule in der Bismarckstraße geht auf die alte Lateinschule zurück, deren Rektor Voß von 1782 bis 1802 war. In der Eutiner Landesbibliothek beheimatet ist die 1994 gegründete Johann-Heinrich-Voß-Gesellschaft, die mit Veranstaltungen und Publikationen (u.a. der Zeitschrift Vossische Nachrichten) die Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Dichters und Übersetzers wach hält.

Der handschriftliche Nachlass Vossens wird zum größten Teil in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek aufbewahrt, ein weiterer großer Teil liegt in der Bayerischen Staatsbibliothek München, ein kleinerer in der Eutiner Landesbibliothek.

5.1.2022 Frank Baudach

ANMERKUNGEN

1 Ein Grund für die Weigerung lag wohl auch in der Tatsache, dass Mutter Boie nach dem Weggang ihrer jüngsten Tochter Ernestine, dem letzten noch im Elternhaus lebenden Kind, in Flensburg allein hätte leben müssen. Um ihr die Zustimmung zur Heirat endlich abzuringen, fuhren Voß und Ernestine – mit Einwilligung der Mutter – zusammen mit dem gemeinsamen Freund Christian Hieronymus Esmarch zu dessen Vater nach Boel in Angeln. Von dort aus schickten sie der Mutter einen Brief, in dem sie versicherten, nicht ohne ihre Einwilligung heiraten zu wollen. Ernestine werde aber nicht nach Flensburg zurückkehren. Bleibe die Mutter bei ihrer Weigerung, werde sie, bis Voß ein Amt habe, getrennt von ihr bei Freunden ihren Unterhalt zu verdienen suchen. So blieb der Mutter nichts anderes übrig, als der Heirat zuzustimmen (Quelle: Adolf Langguth: Christian Hieronymus Esmarch und der Göttinger Dichterbund. Berlin 1903, S. 248).