Johann Gottfried von Herder

Herder, Johann Gottfried von.

Ein Aufklärer in Eutin und Kiel

Geboren in Mohrungen (Ostpreußen) am 25. August 1744
Gestorben in Weimar am 18. Dezember 1803

Er ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Schriftsteller und Philosophen aus der Deutschen Klassik und bildete mit Goethe, Schiller und Wieland das „Viergestirn von Weimar“: Johann Gottfried Herder. Dass er von Ende März bis Mitte Juli 1770 einige Monate in Eutin verbracht hat, dürfte allerdings nur den wenigsten bekannt sein. Tatsächlich hatte Herder ursprünglich andere Pläne – er wollte insbesondere Italien bereisen. Geldbedingt sollte es anders kommen.

Johann Gottfried Herder wird am 25. August 1770 als drittes Kind eines Küsters und Lehrers in Ostpreußen geboren. „Mohrungen war eine kleine Handelsstadt an der Straße von Danzig nach Warschau und zählte damals etwa zweitausend Einwohner.“ #1 Er studierte ab 1762 in Königsberg Theologie, hörte die Vorlesungen von Kant und wurde 1764 an die Domschule in Riga berufen, wo er bis 1769 als Hilfslehrer tätig war. Erste Veröffentlichungen entstanden, darunter die Fragmente über die neuere deutsche Literatur (1766/67). 1769 trat Herder eine längere Reise an, die nach Nantes und Paris führte, wo er die Bekanntschaft der Enzyklopädisten machte. Da es ihm an Geld mangelte, kam ihm der Vorschlag gelegen, den Erbprinzen von Holstein-Gottorp als Reiseprediger zu begleiten; zu diesem Zweck ging er nach Eutin. Die verabredete Bildungsreise führte Herder im Juli 1770 zunächst nach Darmstadt, wo er seine spätere Frau Caroline Flachsland kennenlernte. Zwar folgte er dem Prinzen noch nach Straßburg, kündigte dann aber und ging nach Bückeburg, wo er für den Grafen von Schaumburg-Lippe als Hofprediger arbeiten konnte. In dieser Zeit verfasste er eine Reihe von Schriften, die bahnbrechend für die junge deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft werden sollten, etwa die preisgekrönte Abhandlung über den Ursprung der Sprache (1769). 1776 ging Herder auf Vermittlung Goethes als Generalsuperintendent nach Weimar, wo er bis zu seinem Tod bleiben sollte. Die Amtsgeschäfte bekamen Herder allerdings nicht; zudem ergaben sich Spannungen im Verhältnis zu Goethe, die sich erst 1783 wieder glätten ließen. Von 1784–1791 erschien sein Hauptwerk Idee zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Seine Italienreise (1788/89), der anschließende Bruch mit Goethe sowie materielle wie gesundheitliche Probleme leiteten das Spätwerk ein (Christliche Schriften, 1796–1799). „Krankheit, Sorgen und Nöte aller Art überschatteten die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts in Herders Haushalt.“#2 Nachdem Kuraufenthalte keine Verbesserung gebracht hatten, starb er am 18. Dezember 1803.

Sein Biograf Manfred Maurer schreibt: „Herder war vieles gleichzeitig: Er war in erster Linie ein Gelehrter von tiefer Kenntnis der Vergangenheit, die er sich aus Büchern angeeignet hatte, wenn auch nicht als Professor an einer Universität. Er war Prediger und Kirchenmann, allerdings nicht orthodox, sondern bemerkenswert eigenständig. In seinem wichtigsten Amt war er auch für Schule und Unterricht zuständig und er war ein begeisterter Pädagoge, theoretisch und praktisch. Er war ein Schriftsteller, der bergeweise Bücher schrieb und publizierte […]. Vor allem aber war er Historiker, doch dies im Versuch, ein insgesamt historisches Weltbild aufzubauen, also unter Einschluß der philosophischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse seiner Zeit.“ #3 Und natürlich war Herder ein Mensch der Aufklärung.

Herders Aufenthalt in Eutin beruhte zum einen auf einer „Phase zunehmender Entfremdung und Verunsicherung“ im Hinblick auf seine Anstellung, zum anderen auf einem „finanziellen Engpaß“. #4 Herder hielt sich in Paris auf und wollte nicht recht nach Riga zurückkehren, als er im Dezember 1769 das Angebot vom Herzog und Fürstbischof Friedrich August von Holstein-Gottorp erhielt, „der für seinen Sohn einen Lehrer und Reiseprediger suchte. Mit dieser Aufgabe als geistlicher Privatpädagoge konnte der arme Philosoph allerdings zugleich seine Kasse aufbessern und seiner Reisebegeisterung frönen.“ #5 Es kam zu einer Einigung, die allerdings ausdrücklich eine Kündigungsoption vorsah. Nachdem Herder von Paris über mehrere Stationen nach Hamburg gelangt war, wo er viel Zeit mit seinem Vorbild Gotthold Ephraim Lessing verbrachte und auch Matthias Claudius begegnete, reiste er weiter. „In Kiel, der Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Holstein-Gottorp, lernte Herder seinen Schützling – den ältesten Sohn des Landesherrn – kennen: Peter Friedrich Wilhelm Prinz von Holstein-Gottorp. Der pubertäre Prinz, dessen Mutter – er war ihr einziger Sohn – eine Prinzessin aus Hessen-Kassel war, studierte seit 1769 an der Kieler Christiana-Albertina-Universität und stand kurz vor einer Bildungsreise, auf der ihn Herder begleiten sollte.“ #6 Der Pastor war durchaus angetan, „er verstand sich gut mit seinem Zögling, aber nicht mit dessen adligem Hofmeister“ #7. In Eutin, der Residenzstadt des Fürstbistums Lübeck, lernte er nicht nur ihn näher kennen, sondern machte auch die Bekanntschaft mit höfischen Sitten. Doch das „oftmals verlogen-devote Gebaren der Höflinge musste ihn, der bislang in bürgerlich geprägten Hafenstädten lebte, früher oder später anekeln. Es war der erste Hofstaat, den Herder kennen (und verachten) lernte.“ #8 Im Juli 1770 begann die Reise, die durch Deutschland, England und Italien führen sollte, doch als Herder eine Berufung als Bückeburger Hofprediger in Aussicht gestellt wurde, änderten sich seine Pläne, und das Engagement wurde vorzeitig abgebrochen. „Der Aufenthalt in der kleinen Residenz Eutin von Ende März bis Mitte Juli und wenige Wochen zuvor in Kiel war sicherlich zu kurz, um eine Lebens- und Schaffensperiode ähnlich der in Riga, später in Bückeburg und Weimar zu begründen und zu kennzeichnen.“ #9 Rückblickend schreibt Herder einem Freund: „Nach Eutin müßen Sie nicht gehen, beim Himmel, nicht!“ #10

6.3.2022 Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Michael Maurer: Johann Gottfried Herder. Leben und Werk. Köln 2014, S. 21.

2 Ebd., S. 174.

3 Ebd., S. 7f.

4 Michael Zaremba: Johann Gottfried Herder. Prediger der Humanität. Köln 2002, S. 95.

5 Ebd.

6 Ebd., S. 96f.

7 Michael Maurer: Johann Gottfried Herder, wie Anm. 1, S. 48.

8 Michael Zaremba: Johann Gottfried Herder, wie Anm. 4, S. 97.

9 Gerd Bockwoldt: „Mein Prinz“ – Johann Gottfried Herders Mission in Eutin. In: Herder Jahrbuch 2002, Stuttgart 2002, S. 21–41, hier S. 22.

10 Johann Gottfried Herder an Johann Georg Müller, 8. August 1800. Zit. n. Gerd Bockwoldt: „Mein Prinz“ – Johann Gottfried Herders Mission in Eutin. In: Herder Jahrbuch 2002, Stuttgart 2002, S. 21–41, hier S. 21.