Paul Fleming

Fleming, Paul; (Auch: Paullus Flemmingius).

Barockdichter, Arzt und Persienreisender

Geboren in Hartenstein am 05. Oktober 1609
Gestorben in Hamburg am 02. April 1640

Der jung gestorbene Paul Fleming (auch: Flemming) ist nicht nur einer der bedeutendsten Dichter des Barock, sondern auch einer der wenigen Autoren aus dieser Epoche, die heute noch einem größeren Publikum namentlich bekannt sind. Verantwortlich dafür ist nicht nur seine Lyrik, sondern auch sein bewegtes Leben. Dieses führte ihn – in seiner Zeit sehr unüblich – über die Grenzen Europas hinaus und brachte außerdem einen scheinbar persönlichen Ton in seine Gedichte, der auch heute noch fasziniert. Flemings Russland- und Persienreise mit einer Handelsdelegation ging von Schleswig-Holstein aus und verbindet ihn dauerhaft mit dem Norden.

Geboren wurde Fleming jedoch in Sachsen, genauer gesagt im vogtländischen Hartenstein. Aufgrund seiner Begabung konnte er die Thomasschule in Leipzig besuchen und begann 1628 sein Studium an der Universität Leipzig, das er 1633 mit einem Magister in Medizin abschloss. Schon als Student war Fleming mit der damals neuen Dichtungstheorie von Martin Opitz in Kontakt gekommen, die das Deutsche als Dichtungssprache durchsetzen wollte. Er dichtete gleichwohl zeitlebens sowohl auf Deutsch als auch auf Latein, wurde aber zum entschiedenen Opitz-Anhänger und berief sich in seiner Lyrik immer wieder aus den Meister aus Schlesien, der ihm die Augen für die Schönheit der deutschen Sprache geöffnet habe:

Ich kann es leugnen nicht, ich bin auch ja so Einer,
der Griech und Rom versteht und nun sein Deutsches reiner
und höher redt und schreibt, seit unser Kallimach,
der Schlesische Vergil, uns hat gemachet wach

Paul Fleming: Auf Herzogen Friedrichs zu Schleswig-Holstein […] Abgesandten seinen Namenstag […]. In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 202, V. 189–192.

An der Universität lernt er auch den Mann kennen, der ihm später die Mitwirkung an der Persienreise ermöglichen sollte: Adam Olearius, der 1633 in den Dienst von Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf trat, um als Sekretär an dessen Handelsexpedition nach Russland und Persien teilzunehmen. Für diese Reise gewann er auch Fleming, der als Truchsess und Arzt mitreisen sollte. Es ist unklar, ob es auch der wachsende Ruhm als Dichter war, der Fleming die Stelle verschaffte – offiziell wird er nirgendwo als poetischer Chronist der Expedition bezeichnet, aber er scheint sich selbst durchaus so verstanden zu haben. Sowohl Olearius als auch Fleming hatten trotz aller Gefahren, die mit einer jahrelangen Reise in von Europäer*Innen kaum gekannte Gebiete einhergingen, gute Gründe dafür, ihre Heimat zu verlassen: Als sie von Travemünde aus Richtung Osten aufbrachen, wütete fast überall in Deutschland der Dreißigjährige Krieg, und Mitteldeutschland war besonders betroffen. Dementsprechend versucht Fleming in einem berühmten in Russland geschriebenen Gedicht, der Entfernung von der Heimat Positives abzugewinnen, wenn er sich selbst anredet und tröstet:

[…] Was ist es, das dich schmerzt?
Fürwar, ein großes Nichts! Du bist ja noch derselbe,
lebst sichrer als zuvor! Kanst du nicht umb die Elbe
und Mulde sicher sein, so such’ ein’ ander’ Statt,
die mit geringerer Lust auch wenger Sorge hat!
Die Welt ist groß genung. […]

Paul Fleming: In Groß-Neugart der Reußen, M.Dc.XXXIV. In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 128, V. 16–21.

Der Hauptgrund für die Expedition, über die Olearius später eine berühmte Beschreibung verfasst hat, war ökonomischer Art: Herzog Friedrich suchte nach Einnahmequellen für sein klammes Fürstentum und wollte einen neuen Handelsweg über die Ostsee durch Russland und das Kaspische Meer nach Persien erschließen. Unter diesem Gesichtspunkt war die Reise ein völliger Fehlschlag – obwohl am Kieler Markt eigens die „Persianischen Häuser“ zur Lagerung der zu importierenden Waren gebaut wurden, kam ein nennenswerter Persienhandel nicht zustande. Mit Olearius’ mehrfach wiederaufgelegter Reisebeschreibung und den Gedichten Flemings steht diesem Misserfolg jedoch ein reicher literarischer Ertrag gegenüber.

Die Reise erwies sich als langwieriger als geplant – nachdem die umfangreiche Delegation 1634 Moskau erreicht hatte, musste ein Teil der Gruppe nach Gottorf zurückkehren, um nachzuverhandeln. Fleming blieb derweil in Reval (dem heutigen Tallinn), wo er sich mit der Familie des Kaufmanns Heinrich Niehusen anfreundete und sich in dessen Tochter Elsabe verliebte. Nach über einem Jahr in Reval konnte die Expedition fortgesetzt werden, und im Oktober 1637 erreichte sie Isfahan, wo man vier Monate blieb, um mit dem Schah von Persien zu verhandeln. Auf dem Rückweg erreichte die Gruppe im April 1639 erneut Reval, und Fleming verlobte sich mit Elsabes Schwester Anna, nachdem erstere bereits 1637 einen anderen geheiratet hatte. Anschließend ging es weiter nach Kiel und Gottorf, wo Fleming sich nur kurz aufhielt, um danach im holländischen Leiden den medizinischen Doktortitel zu erwerben. Auf der Rückreise nach Reval starb er im Alter von nur 30 Jahren an einer Lungenentzündung. Er wurde in Hamburg in der St.-Katharinen-Kirche bestattet.

Fleming ist in beiden Sprachen, in denen er schrieb, ein bedeutender Lyriker des 17. Jahrhunderts. Wie in seiner Zeit üblich, schrieb er überwiegend Gelegenheitsgedichte, in denen Geburten, Hochzeiten oder Todesfälle poetisch begleitet werden – auch auf der Persienreise übernahm er gewissermaßen die Funktion des Gesandtschaftdichters, der bedeutende Ereignisse in angemessener lyrischer Form würdigte. Teil dieser Aufgabe war auch die poetische Verherrlichung Schleswig-Holsteins und seines Fürsten, auch wenn die im Gedicht avisierten Erträge der Reise mit der weit dürftigeren Realität nicht viel zu tun haben:

Verzeih uns, Vaterland, daß wir nicht ehe kommen!
Es ist kein schlechter Sprung, den wir uns vorgenommen,
wir tun kein schwaches Werk. Sechs Jahre gehen uns hin.
Diß, was uns ist Verlust, ist, Mutter, dein Gewin!
Durch uns kömpt Persien in Holstein eingezogen,
von welchem nun die Post ist überweit geflogen;
die Völker drängen sich in ungezälter Zahl
umb Gottorf und in ihm um seines Fürsten Saal

Paul Fleming: An Herrn Hartman Grahman, Fürstl. Holstein. Gesandten Leibarzt, geschrieben in Astrachan MDCXXXIIX […]. In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 195, V. 391–398.

Auch Flemings scheinbar persönlichere Liebesgedichte folgen sehr genau der Tradition des Petrarkismus, in der es um originellen Umgang mit den Regeln, aber nicht um dichterische Individualität geht: Auch wenn es manchmal so aussieht, zielen Fleming und seine Zeitgenoss*Innen nie auf einen ungefilterten Ausdruck der eigenen Seele, sondern spielen ein poetisches Spiel, das strengen Regeln folgt. Auf der Reise durch Russland und Persien, die Fleming schon durch die unübliche Umgebung von allen seinen deutschen Dichterkolleg*Innen absetzt, hat er jedoch eine eigene Form gefunden, die die barocken Normen nicht bricht, aber weiterentwickelt. So ist der Vergleich der angebeteten Schönen mit prachtvollen, bevorzugt goldenen Bauwerken ein stereotyper Bestandteil der petrarkistischen Lyrik, aber wer außer Fleming wäre in der Lage, die exotische Stadt Moskau für einen solchen Vergleich heranzuziehen?

Du edle Kaiserin der Städte der Ruthenen,
groß, herlich, schöne, reich; seh’ ich auf dich dorthin,
auf dein vergüldtes Haupt, so kömt mir in den Sinn
was Güldners noch als Gold, nach dem ich mich muß sehnen.
Es ist das hohe Haar der schönen Basilenen,
durch welcher Treflichkeit ich eingenommen bin.

Paul Fleming: Er redet die Stadt Moskaw an, als er ihre vergüldeten Türme von Fernen sahe. In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 524f., V. 1–6.

Auch an anderer Stelle setzt Fleming seine Reiseerfahrung effektvoll ein, wenn auch nicht unbedingt in dem Sinne, den wir heute erwarten würden. Eher selten geht es ihm darum, seinen Reisen einen Wert zur eigenen Entwicklung beizumessen – die Pointe des folgenden Liebesgedichts besteht umgekehrt eher darin, dass all die erlebten Abenteuer unbedeutend sind gegenüber der Möglichkeit, die Geliebte im wenig exotischen Meißen wiederzutreffen:

Ich habe nun erkant die hochgeherzten Reußen,
ihr Wesen aufgemerkt, ihr weites Land durchschaut,
die strengen Tartern auch, für welchen Manchem graut,
mit Mangel und Gefahr mich vielmal müssen schmeißen,
bis ich auch das gesehn, was prächtig wird geheißen
im edlen Persien. Nun laß ich meine Haut
dem leichten Glücke nicht ins Ferner’ anvertraut,
und ziehe wieder heim in mein gewündschtes Meißen.
Da hoff’ ich, Albie, dir, meiner Jugend Leben
und dieser Zeiten Trost, den ersten Kuß zu geben,
das ich ins fünfte Jahr nun habe nicht getan.

Paul Fleming: An Albien. In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 526f., V. 1-11.

Wenn Dieter Lohmeier über Flemings Reisegefährten Olearius sagt, dass dieser „nicht wirklich in die Kulturen eindringt, denen er begegnet, sondern sie letzten Endes als Kuriositäten betrachtet“, #1 gilt das für den weniger wissenschaftlich interessierten Fleming wohl erst recht. Dennoch trug die Reise sicherlich dazu bei, dass der Dichter nicht nur sein poetisches Handwerk entwickeln, sondern auch zu der stoischen Haltung finden konnte, die sein vielleicht berühmtestes Gedicht, das Sonett An sich, auszeichnet. Es beginnt so:

Sei dennoch unverzagt, gieb dennoch unverloren,
weich keinem Glücke nicht, steh’ höher als der Neid,
vergnüge dich an dir und acht’ es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

Paul Fleming: An sich.  In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 472, V. 1–4.

Das Gegenstück zu dieser Ermunterung in schweren Zeiten ist ein weiteres sehr bekanntes Sonett Flemings, die kurz vor seinem Tod gedichtete Grabschrift. Schon während der Persienreise finden wir in seinen Gedichten Hinweise darauf, dass Fleming seine wachsende Anerkennung als Dichter durchaus bekannt (und nicht gleichgültig) war, und im Angesicht des Todes kann er deswegen selbstbewusst darauf setzen, dass man auch in Zukunft seinen Namen kennen wird:

Ich war an Kunst und Gut und Stande groß und reich,
des Glückes lieber Sohn, von Eltern guter Ehren,
frei, meine, kunte mich aus meinen Mitteln nähren,
mein Schall floh über weit, kein Landsman sang mir gleich,
von Reisen hochgepreist, für keiner Mühe bleich,
jung, wachsam, unbesorgt. Man wird mich nennen hören,
bis daß die letzte Glut diß Alles wird verstören.

aul Fleming: Herrn Pauli Fleminigi der Med. Doct. Grabschrift, so er ihm selbst gemacht […] auf seinem Todbette, drei Tage vor seinem seligen Absterben. In: Paul Flemings Deutsche Gedichte. Hrsg. v. J.M. Lappenberg. Bd. 1. Stuttgart: Literarischer Verein 1865, S. 460, V. 1–7.

Dass Fleming tatsächlich bis heute „genannt“ wird, hat er seinem Freund Olearius zu verdanken, der 1646 eine umfassende Ausgabe seiner bis dato meist ungedruckten deutschen Gedichte herausgab. Diese wurde wiederholt nachgedruckt, und seitdem hat sich das Interesse für Fleming bis in die Gegenwart gehalten. Wilhelm Scherer, der ansonsten für das Barock nicht viel übrig hat, findet bei Fleming „Wahrheit, Empfindung und überraschende Kürze“ sowie die „Selbstschilderungen eines frohen und rechtschaffenen Menschen“. #2 Und auch außerhalb der Wissenschaft haben das interessante Leben und die vergleichsweise zugängliche Dichtung Flemings dafür gesorgt, dass er mehr Aufmerksamkeit hervorruft als andere Barockdichter und zum Helden zahlreicher Romane und Erzählungen geworden ist. #3 Ein solcher Text ist Wilhelm Jensens Novelle Aus meiner Vaterstadt. Die Persianischen Häuser (1889), in der Flemings Persienreise mit dem Kiel des 19. Jahrhunderts verknüpft wird: In einem Haus in der Altstadt findet der jugendliche Erzähler unverhofft die Handschrift eines Fleming-Sonetts, was ihn dazu bewegt, dessen (von Jensen erfundene) Ankunft und Aufenthalt in Kiel und die anschließende Reise zu imaginieren. Durch die Rahmenhandlung werden die Expedition und Flemings Werben um Elsabe Niehusen mit der Gegenwart verbunden: Die persianischen Häuser sind in der Novelle Beleg für die ruhmreiche Vergangenheit Kiels, die aber in der Gegenwart des Erzählers, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in Vergessenheit zu geraten droht. Im heutigen Kiel ist im Stadtteil Südfriedhof eine Straße nach Paul Fleming benannt.

23.4.2021Jan Behrs

ANMERKUNGEN

1 Dieter Lohmeier: Nachwort des Herausgebers. In Adam Olearius: Vermehrte Newe Beschreibung Der Muscowitischen vnd Persischen Reyse. Nachdruck der Ausgabe Schleswig 1656. Tübingen: Niemeyer 1971, S. 52*.

2 Wilhelm Scherer: Geschichte der Deutschen Literatur. 12. Auflage. Berlin: Weidmann 1910, S. 321.

3 Vgl. Wilhelm Kühlmann: Erinnerung als Roman. Fleming in der erzählenden Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. In: Was ein Poëte kan! Studien zum Werk von Paul Fleming. Hrsg. v. Stefanie Arend und Claudius Sittig. Berlin, Boston: De Gruyter 2012.