Zara Zerbe

Zerbe, Zara.

Kieler Autorin und Zeitschriftenherausgeberin

Geboren 1989 in Hamburg-Harburg

Zara Zerbe wuchs in einem kleinen Vorort von Hamburg in Niedersachen auf und lebt heute in Kiel, wo sie für ihr Studium der Literatur- und Medienwissenschaft hinzog und blieb. Hier wurde sie 2012 Mitgründerin und -herausgeberin des Literaturmagazins „Der Schnipsel“ und beteiligte sich auch darüber hinaus als Mitveranstalterin der Lesebühne „Federkiel“ in der Kieler Literaturszene. Lokal unbegrenzt kann man ihre literarischen und andere Gedanken auf ihrem Blog „superspacelabor2020“, auf Twitter unter @Ms_Winterbottom und auf Instagram unter @zarid_bang mitverfolgen.

Dass sie nicht nur anderen Literaturschaffenden eine Bühne bieten, sondern auch selbst hervorragend schreiben kann, wird spätestens 2018 endgültig publik, als Zara Zerbes kurze Erzählung Limbus mit dem Preis „Neue Prosa Schleswig-Holstein 2018/19“ ausgezeichnet und später auch im Verlag SuKulTur publiziert wird. In diesem Prosastück leisten wir einer Ich-Erzählerin Gesellschaft, die wegen altbekannter Bahnverspätungen erst mal am Bahnhof in Neumünster strandet – wenn man ihr glauben darf, nun wirklich der letzte Ort auf Erden, an dem man feststecken möchte. Der Titel „Limbus“, der in der mittelalterlichen Theologie die Vorhölle bezeichnet, könnte da kaum passender sein. In dieser Vorhölle in Neumünster zieht sich die Erzählerin mit IKEA-Bleistift und Notizheft bewaffnet in den McDonalds zurück und wartet bei einer Portion kalter Pommes auf die nächste Regionalbahn. Dort hängt sie – angestoßen durch ihre Situation – der Frage nach, warum manche Dinge so passieren, wie sie es tun. Es wäre doch gelacht, wenn da nicht so manches Mal eine höhe Macht am Werk wäre, so wie ihre Oma es zu behaupten pflegte.

Einen Hang zum magischen Realismus hat auch Zerbes 2021 im stirnholz Verlag erschienene Novelle Das Orakel von Bad Meisenfeld, in der die Erzählerin Liv über hellseherische Fähigkeiten zu verfügen scheint. Diese manifestieren sich aufs Neue, als sie vorübergehend aus der Stadt wieder in ihr kleines Heimatdorf zurückkehrt und dort auf einige alte Freundinnen trifft. Zwischen den Erinnerungen, in denen sie schwelgen, und der Erkenntnis, dass heute alles viel komplizierter ist und überhaupt alles in Zukunft noch schlimmer wird, flicht Zara Zerbe gesellschaftspolitische Fragen unserer Zeit dort ein, wo sie ganz real den Alltag ihrer Figuren treffen. Das heißt zum Beispiel, dass Lolas Vater nicht mehr grillen kann – zu ausgetrocknet ist die Gegend, nachdem es schon so lange nicht mehr geregnet hat. Und es stellt sich die Frage, welche beruflichen Perspektiven es für junge Frauen wie Liv, Lola und Jenny im Korsett einer Welt gibt, die immer noch schmerzhaft fest an alten Rollenbilden festhält. Gemeinsam manövrieren sich die Freundinnen, nicht zuletzt mit Livs übernatürlicher Hilfe, durch einen Sommer der Selbstfindung und sehen doch schließlich mehr oder weniger zuversichtlich in die Zukunft.

Ihre Ich-Erzählerinnen und Zara Zerbe selbst zeigen sich anhand dieser Texte als scharfe Beobachterinnen und Kritikerinnen ihres Umfelds, jedoch niemals von oben herab, sondern immer mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Dabei schafft der lockere und doch unheimlich kluge Schreibstil eine unmittelbare Nähe zwischen den Geschichten und der Umwelt ihrer Figuren und den Lesenden. So begleiten wir sie durch ihren (literarischen) Alltag, geprägt vom ländlichen Aufwachsen, Generationenkonflikten und dem Klimawandel. Und mit prüfendem und teils selbstentlarvendem Blick ist es auch die Spannung zwischen Land- und Stadtleben, zwischen Aufwachsen und Entwachsen, ja Erwachsensein, die in ihren Texten sichtbar wird.

Für ihre Arbeiten, die zu einer vielfältigen und jungen Literatur im Norden beitragen und diese widerspiegeln, wurde Zara Zerbe jüngst mit dem Kunstförderpreis 2022 des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet.

26.9.22 Stefanie Schenke