Wolfgang Beutin
Beutin, Wolfgang
Literaturwissenschaft, Sprachkritik und Literatur
Geboren in Bremen am 2. April 1934
Gestorben in Köthel (Kreis Stormarn) am 19. Februar 2023
Wolfgang Beutin wurde am 2. April 1934 geboren und wuchs in Bremen, Güstrow, Berlin und Breslau auf. Er wurde nachhaltig von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs geprägt, die er später in seinen Romanen verarbeiten sollte. #1 Beutin las in seiner Jugend viel: „Wilhelm Raabe, Wilhelm Busch und Fritz Reuter waren die Lieblingsautoren seines Großvaters, deren Werke er als Kind verschlang, vor allem die von Fritz Reuter.“ #2 Nach dem Abitur im Jahr 1953 studierte Beutin Germanistik und Geschichtswissenschaft in Hamburg und Saarbrücken. 1963 wurde er promoviert, arbeitete bis 1968 als wissenschaftlicher Assistent und übernahm von 1971 bis 1999 eine Dozentur als Germanist an der Universität Hamburg. Parallel dazu hatte er von 1990 bis 2006 eine Gastdozentur für das Gebiet Sprachkritik an der Universität Lüneburg inne. Beutin habilitierte sich 1996 an der Universität Bremen mit einer Untersuchung über „Sexualität und Obszönität“ und war dort als Privatdozent tätig. Auch im Ruhestand blieb er ein produktiver wissenschaftlicher Autor; seine Forschungsgebiete waren die Literaturgeschichte der frühen Neuzeit und des 18. bis 20. Jahrhunderts, Frauenmystik sowie psychoanalytische Literaturuntersuchung. #3 Beutins berufliche Laufbahn „begleiteten seit den 1970er Jahren bis 1999 diverse arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen im Zuge der Berufsverbote in der Bundesrepublik Deutschland, die 1999 mit einem Vergleich und Schadensersatzzahlung seitens der Universität Hamburg endeten“. #4 Beutin lebte in Köthel, Kreis Stormarn; hier ist er am 19. Februar 2023 im Alter von 88 Jahren gestorben.
Literatur veröffentlichte Beutin seit Mitte der 1950er Jahre, zu seinem Portfolio gehören Romane, Erzählungen, Bühnenstücke sowie Hör- und Fernsehspiele. 1985 erschien Das Jahr in Güstrow und damit jener Roman, der seine „Beelzow-Saga“ einleitet.
Was da nun jedoch vor uns lag, sich vor dem Zugfenster zeigte, es ließ sich mit einem Blick erfassen: von unendlichen Tannenwäldern, die es umstanden, zusammengedrückt. Das durfte man uns doch wohl nicht antun, diese Winzigkeit von einer Stadt? Was ich wahrnahm, Stadt in meinem Sinne stellte es jedenfalls nie und nimmer dar, Größe und Weite nicht. […] Dies ziegelrote Dächergeriffel, von der Abendsonne ohne Not in zusätzliche Röte getunkt, überragt von zwei oder drei häßlichen Fabrikschornsteinen, außerdem von Kirchtürmen in gleicher Anzahl? Konnte dies tatsächlich Güstrow sein –?
Es ist tatsächlich Güstrow, das die Bremerin Else Beelzow mit ihren beiden Kindern gegen Ende des Zweiten Weltkriegs erreicht und wo sie u.a. den Einmarsch der Roten Armee erleben wird. „In diesem Roman Beutins, der wohl in weiten Teilen autobiographischen Charakter hat, ist alles das enthalten, was uns die Geschichtsbücher nicht liefern können: nachvollziehbare Einzelschicksale, Darstellung höchst unterschiedlicher Charaktere und vor allem die psychischen Kapriolen, denen der 10jährige Protagonist Lothar Beelzow schutzlos ausgeliefert ist.“ #6 Und weiter: „Das Jahr in Güstrow ist ein gelungenes Stück poetischer Geschichtsunterricht, vergleichbar nicht nur mit Werken von Peter Härtling, sondern auch mit denen von Walter Kempowski und Hermann Lenz.“ #7 Beutin setzte die Beelzow-Saga mit Wanderer im Wind (1991) fort, wobei der von lebhafter Presseberichterstattung begleitete Roman zwei Ausstellungen im Elbschifffahrtsmuseum Lauenburg und im Staatsarchiv Bremen nach sie zog. Das Buch selbst ist ein Familienroman „mit Ewigkeitsthemen von den Wechselfällen des Lebens, Liebe und Tod. Hier mögen sich Reminiszenzen einstellen an berühmte Vorläufer wie Zolas Rougon-Macquart-Zyklus, Thomas MannsBuddenbrooks, Galsworthys Forsyte-Saga u.a., die der promovierte Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Wolfgang Beutin selbstverständlich kennt und schätzt.“ #8 2013 folgte mit Der Nebler der dritte Band der Saga, die 2016 mit „Alarm für die deutsche Bucht!“ einen vorläufigen Abschluss findet.
Seit 2009 veröffentlichte der von Bockel-Verlag die Reihe Beutin-Texte, in der – neben Erzählungen und Aphorismen – etwa Studien zu Leben und Werk des pazifistischen Schriftstellers Kurt Hiller (2010) und der biographische Roman über die „rote“ Bürgermeisterin Margarete Mahn (2011) erschienen sind. Daneben hat Wolfgang Beutin zahlreiche zumeist wissenschaftliche Anthologien herausgegeben.
1956 und 1957 wurde Wolfgang Beutin mit dem Kurt-Tucholsky-Preis ausgezeichnet. Der von Bockel-Verlag unterhält eine Homepage, die über das Werk von Beutin informiert.
20.8.2022 Kai U. Jürgens
ANMERKUNGEN
1 Hans Wollschläger: Einige Randbemerkungen für Wolfgang Beutin zur Resignation. In: Wolfgang Beutin, Die Revolution tritt in die Literatur. Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte von Thomas Müntzer bis Primo Levi, Frankfurt a. M. 1999, S. 11–24, hier S. 19.
2 Vgl. Wolfgang Beutin. In: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Beutin.
3 Rolf Blase: Germanist, Historiker, Belletristiker. Bücher sind sein Leben: Wolfgang Beutin aus Köthel schreibt viel und besonders gern über Schriftsteller aus Schleswig-Holstein. In: Stormarner Tageblatt, 10. Juli 2013, zit. n. https://www.shz.de/lokales/stormarner-tageblatt/germanist-historiker-belletristiker-id3360646.html.
4 Vgl. PD Dr. phil. Wolfgang Beutin. https://www.uni-bremen.de/fb-10/fachbereich/wissenschaftlerinnen-wissenschaftler/pd-ruhestand/dr-phil-wolfgang-beutin.
5 Wolfgang Beutin, wie Anm. 2.
6 Peter Mohr: Ein gutes Stück Trauerarbeit. Über Wolfgang Beutins Roman „Das Jahr in Güstrow“. In: Kultur & Gesellschaft, Nr. 2, Februar 1986, S. 18. Zit. n. http://www.wolfgang-beutin.de/DasJahrinGuestrow.html.
7 Ebd.
8 Eberhard Hilscher: Erinnerungen an den guten Geist des Großvaters. Beutins Familienroman „Der Wanderer im Wind“. In: Neue Zeit (Berlin), 29. Oktober 1991. Zit. n. http://www.wolfgang-beutin.de/WandererimWind.html.
Audio
Wolfgang Beutin liest für das Literaturtelefon Kiel aus seinem 2010 im von Bockel Verlag, Neumünster erschienenen Kurzprosaband Don Juan kommt wieder. Die Aufnahme entstand im Rahmen der Herbstlesung des VS (Verband deutscher Schriftsteller) Schleswig-Holstein am 25.9.2015 im Literaturhaus SH in Kiel. Link: http://www.literaturtelefon-online.de/?page_id=1741
Veranstaltungen
Keine Veranstaltungen vorhanden
WERKE
• Königtum und Adel in den historischen Romanen von Willibald Alexis. Berlin: Erich Schmidt 1966.
• Deutschstunde von Siegfried Lenz. Eine Kritik. Hamburg: Lüdke 1970.
• Invektiven, Inventionen. Wiesbaden: Limes 1971.
• Das Weiterleben alter Wortbedeutungen in der neueren deutschen Literatur bis gegen 1800. Hamburg: Lüdke 1972.
• Komm wieder, Don Juan! Auch ein Anti-Roman. Darmstadt: Bläschke 1974.
• Sprachkritik-Stilkritik. Eine Einführung. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1976.
• Unwahns Papiere. Roman. Fischerhude: Atelier im Bauernhaus 1978.
• Der radikale Doktor Martin Luther. Ein Streit- und Lesebuch. Köln: Pahl-Rugenstein 1982.
• Das Jahr in Güstrow. Roman. Dortmund: Weltkreis 1985.
• Sexualität und Obszönität. Eine literaturpsychologische Studie über epische Dichtungen des Mittelalters und der Renaissance. Würzburg: Königshausen und Neumann 1990.
• Der Wanderer im Wind. Über die dicken und die dünnen Perioden im Leben des Bauamtmanns Heinrich Beelzow, eines gebürtigen Mecklenburgers, nachmals in Bremen ansässig geworden. Roman. Hamburg: Bormann und von Bockel 1991.
• Eros, Eris. Beiträge zur Literaturpsychologie, zur Sprach- und Ideologiekritik. Stuttgart: Heinz 1994.
• (mit Heidi Beutin): Der Löwenritter in den Zeiten der Aufklärung. Gerhard Anton von Halems Iwein-Version "Ritter Twein". Göppingen: Kümmerle 1994.
• Barlach oder der Zugang zum Unbewussten. Eine kritische Studie. Würzburg: Königshausen und Neumann 1994.
• Der Demokrat Fritz Reuter. Hamburg: von Bockel 1995.
• Zur Geschichte des Friedensgedankens seit Immanuel Kant. Hamburg: von Bockel 1996.
• Die Revolution tritt in die Literatur. Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte von Thomas Müntzer bis Primo Levi. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1999.
• Knief oder des großen schwarzen Vogels Schwingen. Würzburg: Königshausen und Neumann 2003.
• (mit Heidi Beutin:) Rinnsteinkunst? Zur Kontroverse um die literarische Moderne während der Kaiserzeit in Deutschland und Österreich. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2004.
• Aphrodites Wiederkehr. Beiträge zur Geschichte der erotischen Literatur von der Antike bis zur Neuzeit. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2005.
• (mit Heidi Beutin:) Historiographie zwischen Mythologie und Ideologie. Zur Geschichtsschreibung des Mittelalters und zu einigen Formen der Geschichtsdichtung der Neuzeit. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2007.
• (mit Heidi Beutin:) Schöne Seele, roter Drache. Zur deutschen Literatur im Zeitalter der Revolutionen. Frankfurt am Main: Lang 2008.
• Günter Grass - Repräsentant deutscher Literatur, deutscher Kultur, Deutschlands? Nachträgliches zu den Jubelfeiern anlässlich seines 80. Geburtstags. Berlin: Helle Panke 2008.
• Der Fall Grass. Ein deutsches Debakel. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2008.
• Hilleriana. Studien zum Leben und Werk Kurt Hillers. Neumünster: von Bockel 2010.
• Erzählungen. Neumünster: von Bockel 2010.
• Don Juan kommt wieder. Aphorismen. Neumünster: von Bockel 2010.
• Margarethe Mahn - die rote Bürgermeisterin. Ein biographischer Roman. Neumünster: von Bockel 2011.
• Das Hamburger Totengericht. Roman. Neumünster: von Bockel 2011.
• Preisgekrönte. Zwölf Autoren und Autorinnen von Paul Heyse bis Herta Müller. Ausgewählte Werke, sprachkritisch untersucht. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2012.
• Karl Kraus oder Die Verteidigung der Menschheit. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2012.
• Der Nebler. Roman. Band III der Beelzow-Saga. Neumünster: Von Bockel 2013.
• Mechanismen der Trivialliteratur. Zur Wirkungsweise massenhaft verbreiteter Unterhaltungslektüre. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2015.
• Alarm für die Deutsche Bucht. Band IV der Beelzow-Saga. Neumünster: Von Bockel 2016.
• (mit Heidi Beutin:) Fanfaren einer neuen Freiheit. Deutsche Intellektuelle und die Novemberrevolution. Darmstadt: wbg 2018.
• Die Literatur der Reformation und die Reformation in der deutschsprachigen Literatur. Berlin u.a.: Lang 2019.
• Motive der Literatur der Renaissance und die Renaissance als literarisches Motiv. Frankfurt am Main u.a.: Lang 2021.