Ludwig Friedrich Hudemann

Hudemann, Ludwig Friedrich.

Jurist und spätbarocker Dichter von religiösen Heldengedichten und Tragödien.

Geboren in Friedrichstadt am 3. September 1703
Gestorben in Hennstedt am 16. Februar 1770

Hudemann ist ein Dichter an der Schwelle zwischen Früher Neuzeit und Moderne, der gewissermaßen mit einem Bein noch im Spätbarock, mit dem anderen bereits im Lager der Aufklärung steht. Er wurde in Friedrichstadt als Sohn des dortigen Gerichtssekretärs des Herzogs von Schleswig-Holstein geboren, und seine Ausbildung war darauf ausgelegt, ihm eine juristische Karriere wie die des Vaters zu ermöglichen: Akademisches Gymnasium in Hamburg, Jurastudium in Halle, Leipzig und Kiel, schließlich 1730 die Promotion an der Christian-Albrechts-Universität. Nach ausgedehnten Reisen durch Holland und Frankreich sowie einer Station in Hamburg ließ er sich in Hennstedt nieder, wo er eine Familie gründete und als Anwalt tätig war. Dass er ein recht produktiver Autor werden konnte, führt Hudemann auf die Abgeschiedenheit seines dithmarsischen Wohnorts zurück. Er zeigt sich in seiner letzten Schrift dankbar, dass

ein solcher Ort mein Wohnsitz geworden, an welchem ich, fern von dem Geräusche und Getümmel, das in grossen Städten herrschet […] denen wichtigen Betrachtungen ungehindert obliegen kann, welche ihre Frucht am herrlichsten in der Ewigkeit offenbaren.

D. Ludewig Friederich Hudemanns […] Trauerspiel der Tod Johannes des Täufers. Wismar/Bützow 1771, S. 6.

Hudemanns literarisches Schaffen umfasst nicht nur Gedichte und Dramen, sondern auch Übersetzungen, etwa von Jean Racine und Daniel Heinsius. Dass eigene poetische Produktion und literarische Übersetzung im 18. Jahrhundert nicht so strikt getrennt waren wie heute, zeigen Doppelausgaben wie die folgende: Jesabel und Athalia. Zwey Trauerspiele. Jenes hat selbst verfertiget, dieses aber aus dem Französischen des berühmten Racine übersetzet D. Ludwig Friedrich Hudemann […]. Nachdem Hudemann Johann Christoph Gottscheds aufklärerisches Dichtungsprogramm zunächst ablehnte und die höfische Kunstform der Oper gegen diesen verteidigte, wechselte er später auf die Seite der Gottschedianer und lehnte „die eitelen und unnatürlichen Opern“ ab:

Ich schäme mich noch vor mir selber, daß ich in meiner Jugend so eifrig sie verfochten, und hasse sie anitzt […] um soviel mehr, als zärtlich ich sie vorzeiten aus Unverstande geliebet habe.

Ebd., S. 14.

Stattdessen schreibt er nun Trauerspiele wie Diocletianus der Christenverfolger, das die Entbehrungen des frühen Christentums thematisiert und laut Hudemann gesellschaftlich nützlich ist, weil es dem Publikum „einen Funken der Gottseligkeit ins Herz […] werfen“ #1 kann. Später verlegt er sich direkt auf biblische Stoffe – ein in dieser Zeit durchaus riskantes Unterfangen, das etwa seinem Zeitgenossen Klopstock anlässlich des Messias viel Kritik eingebracht hat. Hudemann weiß das nur zu gut, weil er selbst in den 1750er Jahren eine wütende Klopstock-Kritik veröffentlicht hat:

Wenn Herr Kloppstock [!] auch nur den geringsten natürlichen Schauer vor der göttlichen Majestät bey sich empfunden hätte […], würde er sich wol unterstanden haben, ein Geheimniß, darin selbst die grössesten der seligen Geister unerforschliche Tiefen der göttlichen Macht, Weisheit und Güte, antreffen, durch seinen abgeschmackten Fabelntand zu verunstalten?  Hat er von dem Gerichte Gottes in seiner eigenen Sele nichts erfahren, als ihm der Gedanke aufgestiegen, von dem Gerichte Gottes über unsern hochgelobten Erlöser ein Gedicht zu schreiben?

[Ludwig Friedrich Hudemann:] Gedanken über den Messias in Absicht auf die Religion. Rostock/Wismar 1754, S. 7.

Auch wenn er später etwas milder urteilt und ausdrücklich auch die „schönen und erhabenen Gedanken und Ausdrücke“ des Messias hervorhebt, #2 ist es überraschend, dass sich Hudemann einige Jahre später selbst an biblischen Stoffen versucht. Seine eigenen biblischen Trauerspiele sieht er jedoch vor „ausschweifende[r] Phantasey #3“ wie bei Klopstock gefeit, weil er mit dem Stoff besonders sorgfältig umgegangen sei und die dichterische Fantasie zugunsten der Wahrscheinlichkeit gezügelt habe:

Bey der Abfassung meines Gedichts habe ich der Einbildungskraft […] zur Ungebühr nichts verstattet, auch, wider die Wahrscheinlichkeit zu handeln, mir keine Freyheit erlaubet, da ich überzeuget bin, daß man nirgend behutsamer zu verfahren habe, als in dem Abrisse göttlicher Dinge […].

Lucifer / Ein episches Gedicht verfertiget von D. Ludewig Friederich Hudemann […]. Bützow/Wismar 1765, S. 6.

In dieser Beschwörung der „möglichsten Genau- und Richtigkeit“#4 im Umgang mit den Quellen erkennen wir zum einen die für die Zeit der Aufklärung typische Überzeugung, dass die Literatur keineswegs völlig frei ist, sondern sich an Prinzipien der Angemessenheit und Nützlichkeit orientieren muss. Zum anderen scheint vielleicht auch ein wenig das berufliche Selbstverständnis des Advokaten Hudemann durch.

Trotz seiner Abgeschiedenheit in Hennstedt scheint Hudemann mit den Geistesgrößen seiner Zeit gut vernetzt gewesen zu sein: Er war mit dem Hamburger Aufklärer und Komponisten Johann Mattheson befreundet und wohl auch mit Barthold Hinrich Brockes bekannt. #5 Johann Sebastian Bach widmete ihm 1727 einen Kanon (Kanon zu vier Stimmen, BWV 1074).

5.1.2021Jan Behrs

ANMERKUNGEN

1 D. Ludewig Friederich Hudemanns […] Trauerspiel der Tod Johannes des Täufers. Wismar/Bützow 1771, S. 7.

2 Lucifer / Ein episches Gedicht verfertiget von D. Ludewig Friederich Hudemann […]. Bützow/Wismar 1765, S. 8.

3 [Ludwig Friedrich Hudemann:] Gedanken über den Messias in Absicht auf die Religion. Rostock/Wismar 1754, S. 16.

4 Lucifer / Ein episches Gedicht verfertiget von D. Ludewig Friederich Hudemann […]. Bützow/Wismar 1765, S. 7.

5 Jürgen Rathje: Art. „Hudemann, Ludwig Friedrich“. Killy Literaturlexikon, Bd. 5, 2009.