Johann von Rist

Rist, Johann von; Pseudonym(e): Baptista Armatus; Daphnis aus Cimbrien; Der Rüstige; Friedelieb von Sanfteleben; Palatin; Tirsis, der Tamsschaffer

Evangelischer Theologe und Poet, Pfarrer in Wedel und Gründer des Elbschwanenordens

Geboren in Ottensen am 8. März 1607
Gestorben in Wedel am 31. August 1667

Rist stammt aus einer lutherischen Pastorenfamilie, und sein eigener Weg in diesen Beruf war gewissermaßen vorgezeichnet: Er besuchte die Gelehrtenschule in Hamburg (das heutige Johanneum) und das Akademische (heute: Alte) Gymnasium in Bremen und studierte anschließend an den Universitäten Rostock und Rinteln Theologie. Nach dem Studium lebte Rist in Hamburg und Heide, bevor er 1633 als Pastor nach Wedel berufen wurde. Von kurzen kriegsbedingten Unterbrechungen abgesehen, lebte er den Rest seines Lebens mit seiner Familie in der Stadt.

Rists literarische Produktion ist eng mit seinem Beruf als Pastor der Kirche am Roland verbunden. Seine über 650 geistlichen Lieder sind als Erweiterung seiner seelsorgerischen Tätigkeit zu verstehen: Sie sollen gesungen werden (und auf diese Weise dem Seelenheil der Singenden dienen), und zu diesem Zweck sind etlichen seiner Veröffentlichungen Noten für die hausmusikalische Praxis beigefügt. Ganz pragmatisch merkt Rist aber auch an, dass die meisten seiner Lieder „auf bekante/ und in unseren Evangelischen Kirchen gebräuchliche Melodeien können gesungen und gespielet werden/ damit Sich auch die jenige/ welche der Singekunst unerfahren/ solcher Lider desto besser können bedienen“. #1 Bis heute sind etliche seiner Lieder im Evangelischen Gesangbuch enthalten.

Auch wenn dieser Aspekt seines Schaffens heute am bekanntesten ist, ist Rist kein rein geistlicher Dichter und hat zeitlebens auch weltliche Poesie sowie Dramen veröffentlicht. Wie sein Vorbild Martin Opitz möchte er beweisen, dass die deutsche Sprache für die Dichtung geeignet ist, und sieht diese Aufwertung der Sprache als Teil eines größeren Zivilisationsprogramms. Bereits zehn Jahre nach dem Erscheinen von Opitz’ berühmten Buch von der Deutschen Poeterey kann Rist in seiner Gedichtsammlung mit dem bedeutungsschwangeren Titel Musa Teutonica (erstmals 1634) Vollzug melden:

Nun höret man das Volck/ das eh so grob gewesen
Die Teutschen/ gut Latein/ Hebraisch/ Griechisch lesen.
Und solcher Sprachen mehr/ doch nemen sie in acht
Zu dieser letzten zeit auch ihrer Sprachen pracht/
Und haben nun so schön und zierlich drein geschrieben
Das Rom und auch Pariß der Teutschen Sprache lieben
Von wegen ihrer zier/ ja man hat kaum ein Landt
Da nicht der Teutschen Ruhm/ der Opitz ist bekand

Johannis Ristii Holsati Musa Teutonica Das ist: Teutscher Poetischer Miscellaneen Erster Theil : In welchem begriffen Allerhandt Epigrammata Oden, Sonnette, Elegien, Epithaphia, Lob/ Trawr: und Klaggedichte/ etc. 3. Auflage, Hamburg 1639, S. [16].

Bei dieser Aufgabe, der Aufwertung der deutschen Sprache, erweist sich Rist als fähiger „kulturpolitischer Stratege im norddeutschen Raum“.#2 Wie die Widmungsgedichte in seinen Büchern zeigen, ist er mit seinen literarischen Zeitgenossen gut vernetzt. 1647 wird er als „Der Rüstige“ in die Fruchtbringende Gesellschaft, die wichtigste Sprachgesellschaft des Barock, aufgenommen, nachdem er im Jahr zuvor bereits von Kaiser Ferdinand III. zum Poeta Laureatus gekrönt worden war. 1658 gründet Rist seine eigene Gesellschaft, den „Elbschwanenorden“, die schnell wuchs und sich möglicherweise auf dem Schulauer „Parnass“ traf. Auch hier geht es in erster Linie um Sprachpolitik:

Es sollen alle Mitglieder diser rühmlichen Geselschaft schuldig und verpflichtet sein/ für allen Dingen das Aufnehmen und Fohrtpflanzung unserer Edelsten/ Teutschen Helden- und Mutter-Sprache/ zuforderst dero hochsteigenden Poesie/ so münd- als schriftlich/ aus allen Kräften zu befoderen

Das AllerEdelste Leben Der gantzen Welt : Vermittelst eines anmuhtigen und erbaulichen Gespräches/ Welches ist diser Ahrt Die Ander/ und zwahr Eine Hornungs-Unterredung / Beschriben und fürgestellet von Dem Rüstigen. Hamburg 1663, S. 25.

In seiner Serie von sechs gedruckten „Monats-Unterredungen“, aus der auch dieses Leitbild stammt, hat Rist dem Orden ein fiktionales Denkmal gesetzt: In jeder Lieferung der Serie treffen sich einige Mitglieder bei ihm in Wedel, um über eine Streitfrage zu philosophieren, wobei der Meister am Ende immer die Antwort hat, die alle überzeugt. Dies gibt Rist unter anderem die Gelegenheit, seinen Garten zu präsentieren, der auch im wirklichen Pfarrhaus in Wedel eine große Rolle spielt: Der botanisch extrem ambitionierte Pfarrer räsoniert darüber, „was es für eine unvergleichliche Lust sei/ wen man so manches wolriechendes Kraut/ so manche wunderschöne Bluhme/ so manches ansehnliches Gewächse […] mag sehen“, und hebt darüber hinaus auch den Nutzen hervor, den Pflanzen „in der Küche/ auf der Tafel/ wie auch in den heftigsten Leibes Krankheiten und vielfältigen Beschwehrligkeiten“ bieten #3. Die beiden umfangreichen Gärten, die Rist nördlich und südlich des Marktplatzes anlegte, sind heute bestenfalls noch zu erahnen.

Bei all seinen vielfältigen Interessen (Theologie, Dichtung, Botanik) scheint Rist ein geselliger Zeitgenosse mit einem offenen Ohr für seine Umgebung gewesen zu sein. Laut seinen Biografen war er der Meinung, dass ein im Wirtshaus verbrachter Abend intellektuell ergiebiger sein könne als die Aristoteles-Lektüre, #4 und das hört man insbesondere seinen Theaterstücken auch an. In den Zwischenspielen seines 1653 nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs gedruckten Friedejauchtzenden Teutschland wird beispielsweise auf Niederdeutsch gesungen und gefeiert: „Juchhei/ juchhei/ juch/ wat geit id lustig tho“#5. Diese linguistische Vielfältigkeit sowie die Tatsache, dass Rist sich in seinen Dramen nicht an der klassischen Tragödie, sondern an der Wanderbühne orientiert, machen ihn in den Augen der Theaterforschung zu einem besonders interessanten Autor.

Generell gilt Rist heute in der Literaturgeschichte als einer der wichtigsten Dichter des 17. Jahrhunderts, insbesondere im norddeutschen Raum. Ältere Literaturhistoriker wie Wilhelm Scherer kritisierten noch seine Vielschreiberei: „[S]eine Leichtigkeit ward Seichtigkeit, […] und nie wußte er rechtzeitig zu enden.“#6 Mittlerweile hat sich eine differenziertere Sichtweise durchgesetzt, die die besonderen Umstände des Barockzeitalters besser versteht und vor diesem Hintergrund gerade Rists Produktivität und Vielfältigkeit anerkennt. An seiner hauptsächlichen Wirkungsstätte in Wedel hat sich 2015 die Johann-Rist-Gesellschaft gegründet, die bemüht ist, das Andenken des Dichters vor Ort wachzuhalten und die Forschung zu Rist zu fördern.

19.12.2020Jan Behrs

ANMERKUNGEN

1 Johann Risten Himlische Lieder / Mit sehr lieblichen und anmuhtigen/ von dem fürtrefflichen und weitberühmten H. Johann Schop/ wolgesetzeten Melodeien. 2. Auflage, Lüneburg 1652, unpaginierte Vorrede.

2 Eberhard Mannack, Johann Anselm Steiger: Art. „Rist, Johann“. Killy Literaturlexikon, Bd. 9, 2010.

3 Das AllerEdelste Leben Der gantzen Welt : Vermittelst eines anmuhtigen und erbaulichen Gespräches/ Welches ist diser Ahrt Die Ander/ und zwahr Eine Hornungs-Unterredung / Beschriben und fürgestellet von Dem Rüstigen. Hamburg 1663, S. 47 f.

4 Eberhard Mannack, Johann Anselm Steiger: Art. „Rist, Johann“. Killy Literaturlexikon, Bd. 9, 2010.

5 Das Friedejauchtzende Teutschland/ Welches/ Vermittelst eines neue[n] Schauspieles/ theils in ungebundener/ theils in gebundener Rede und anmuthigen Liederen […] vorstellet Johann Rist. Nürnberg 1653, S. 68.

6 Wilhelm Scherer: Geschichte der deutschen Literatur. Berlin 1910, S. 323.