Bodo Uhse

Uhse, Bodo

Nationalsozialist, Kommunist, Exilant

Geboren in Rastatt am 12. März 1904
Gestorben in Berlin am 2. Juli 1963

Unter den leider zahlreichen schleswig-holsteinischen Schriftsteller*Innen, die dem Nationalsozialismus huldigten, sticht Bodo Uhse hervor: Anders als die meisten versuchte er nach 1933 nicht, aus seinen rechtslastigen Überzeugungen Kapital zu schlagen, sondern wandelte sich ganz im Gegenteil zum überzeugten Regimegegner und Kommunisten. Uhses politischer Weg ist auf entscheidende Weise mit den Verhältnissen in Schleswig-Holstein Ende der 1920er Jahre verbunden; er hat ihn in seinem autobiografischen Roman Söldner und Soldat (1935) nachgezeichnet.

Geboren wurde Uhse als Sohn eines Offiziers im badischen Rastatt. Schon im jungen Alter von 16 Jahren nahm er am Kapp-Putsch von 1920 teil und bezeugte damit seine antidemokratischen Ansichten, die er in den folgenden Jahren weiter radikalisierte. Ein Jahr später schloss er sich, mittlerweile Volontär beim Bamberger Tagblatt, dem „Bund Oberland“ an, einer paramilitärischen Gruppe, die nach dem Verbot der Freikorps in der Weimarer Republik klandestin gegen die staatliche Ordnung arbeitete. In Söldner und Soldat beschreibt Uhse die Verlockung, die für den unglücklichen und isolierten Jugendlichen von einer solchen Gruppe ausging:

Ein fester Boden bot sich meinen Füßen, die des schwankenden Grundes meiner Unsicherheit müde waren. Eine Gemeinschaft stand vor mir, in die ich aus meiner Vereinsamung flüchten konnte.

Bodo Uhse: Söldner und Soldat. In: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Hrsg. v. Günter Caspar. Bd. 1, Berlin und Weimar: Aufbau 1974, S. 25.

Zusammen mit dem Bund Oberland näherte sich der junge Journalist in den folgenden Jahren nach und nach der NSDAP an, der er bereits 1927 beitrat. Er wurde zum Parteifunktionär der noch jungen Partei und von dieser nach Schleswig-Holstein entsandt: 1928 sollte in Itzehoe mit der Schleswig-Holsteinischen Tageszeitung die erste norddeutsche nationalsozialistische Tageszeitung gegründet werden, und Uhse wurde ihr Chefredakteur. Der süddeutsche Neuankömmling ist zunächst befremdet von den Itzehoer Parteigenossen und ihrer Germanentümelei: Er versteht sich als soldatischer Anhänger einer zwar antidemokratischen, aber dabei revolutionären, auf der Seite der Arbeiter*Innen stehenden Partei und kann mit dem skurrilen Neuheidentum und der Verklärung der Vergangenheit in der Itzehoer NSDAP nichts anfangen. Interessanter findet er die schleswig-holsteinische Landvolkbewegung, auf die er in der Stadt sofort stößt: Die Zeitung dieser radikalen und völkischen Bewegung, Das Landvolk, erschien ab 1929 ebenfalls in Itzehoe. Obwohl es sich bei den rebellischen Bauern also in politischer und publizistischer Hinsicht um Konkurrenten handelt, findet Uhse beim Landvolk und seinem Anführer Claus Heim etwas, was er in der Nazipartei vermisst:

Die Geradheit ihres Willens, der von den bedrohten Höfen aus den Kampf um die Macht im Staate wollte, der Ernst, mit dem sie diesen Kampf nicht in Wortgefechten schwächlich entarten ließen, sondern ihn durch die praktische Organisierung des Widerstandes gegen den Staat richteten, zwangen mich in ihren Bann. Die Methoden der Bauern, der mutige Einsatz ihrer Kraft, unbekümmert darum, ob ihr Wille zur Selbsterhaltung gegen die Gesetze des Staates verstieß, stachen ab von dem billigen Werben der Partei und ihrem vorsichtigen Spiel im Rahmen der von der Weimarer Republik gezogenen Grenzen.

Bodo Uhse: Söldner und Soldat. In: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Hrsg. v. Günter Caspar. Bd. 1, Berlin und Weimar: Aufbau 1974, S. 169.

Weil die Parteileitung das anders sieht, kommt es allmählich zu einer Entfremdung zwischen Uhse und der NSDAP und gleichzeitig zu einer Annäherung mit der Landvolkbewegung um Heim und den Chefredakteur des Landvolks, Bruno von Salomon (dessen Bruder Ernst von Salomon ebenfalls für die Zeitung schrieb). Während sich der Kampf der Bauern radikalisiert (eine Entwicklung, der auch Hans Fallada in Neumünster seine schriftstellerischen Anfänge verdankt - sein Roman Bauern, Bonzen und Bomben erscheint 1931) und gleichzeitig der revolutionäre Flügel um die Brüder Strasser in der NSDAP ausgeschaltet wird, findet Uhse mehr und mehr Gemeinsames mit den Kommunisten, mit denen seine Parteigenossen erbitterte und oft tödliche Kämpfe führen. In Söldner und Soldat schildert er diese allmähliche Konversion als eine Reihe von dramatischen Erweckungserlebnissen, darunter eine Rede des KPD-Mitglieds Karl Upricht:

„Und Deutschland“, so hob der junge Kommunist jetzt seine Stimme, und es war seltsam, dies Wort aus seinem Munde zu hören, „Deutschland, so fragt ihr wohl, das gilt euch nichts? [….] Ihr Narren, wir eifern nicht mit eurem Patriotismus. Aber wer ist denn Deutschland? – Die Millionen Arbeiter, die Millionen kleiner Bauern! Wie kann Deutschland frei sein, wenn sie, sein Volk, unterdrückt werden? […] Deutschland, das Deutschland der Bauern und Arbeiter, gilt uns viel. Darum wollen wir es davor bewahren, daß sich die Bourgeoisie […] jetzt aus diesem Deutschland ihr Sterbebett macht.“

Im Saal war es so still, daß ich, meinend, man höre mein Herz schlagen, rot wurde und den Kopf senkte vor den fragenden Augen, die da überall im Saal eindringlich standen. Ich fühlte, wie alles in mir schwankte und erschüttert war.

Bodo Uhse: Söldner und Soldat. In: Gesammelte Werke in Einzelausgaben. Hrsg. v. Günter Caspar. Bd. 1, Berlin und Weimar: Aufbau 1974, S. 269f.

Gemeinsam mit Bruno von Salomon vollzieht Uhse den folgerichtigen Schritt zum Kommunismus und agitiert fortan mit kommunistischen Führern wie Ernst Putz und Christian Heuck für die Sache der Bauern. In dem Moment, als seine ehemalige Partei in Deutschland die Macht ergreift, muss Uhse fliehen – 1933 zunächst nach Paris, wo er mit der Crème de la Crème der kommunistischen Intelligenzija zusammenarbeitet und wo 1935 Söldner und Soldat erscheint. 1939 geht es dann weiter in die USA und 1940 nach Mexiko. 1948 kehrt er nach Deutschland zurück und wird in der DDR ein bedeutender Kulturfunktionär – er leitet die Zeitschrift Aufbau im gleichnamigen Verlag (und für kurze Zeit die Sinn und Form), wird Volkskammerabgeordneter und Vorsitzender des Schriftstellerverbands. Seine veröffentlichten Romane und Erzählungen sind oft autobiografisch geprägt – der 1948 erschienene Roman Wir Söhne schildert eine Kindheit, die der Uhses nicht unähnlich ist, und in seinen Mexikanischen Erzählungen (1957) hat er das Land, das ihm viele Jahre Zuflucht bot, gewürdigt. 1963 stirbt Uhse in Berlin; er ist auf dem dortigen Dorotheenstädtischen Friedhof begraben. Die Flensburger Erotik-Pionierin Beate Uhse ist seine Schwägerin.

11.1.2022 Jan Behrs