Antje Tadsen

Tadsen, Antje

Autorin moderner Kurzgeschichten auf Öömrang

Geboren in Nebel auf Amrum am 14.12.1958

Antje Tadsen kommt von der Insel Amrum und lebt in Kiel, wo sie als Sozialpädagogin tätig ist. Ihr literarisches Werk besteht aus Kurzgeschichten, die sie in ihrer Muttersprache Öömrang, in Amrumer Friesisch, verfasst. Mit einigen ihrer Texte nimmt Tadsen – stets erfolgreich - an dem alle zwei Jahre stattfindenden „Ferteel iinjsen!“-Wettbewerb für nordfriesische Kurzprosa teil, andere sind in nordfriesischen Zeitschriften erschienen.

Tadsens Erzählungen handeln - mal in humoristischem Ton, mal melancholisch - von Figuren, die mit sich selbst im Dialog stehen, meist in vereinzelten, gar einsamen Momenten. Wie die Protagonistinnen in Ööderhualew stünj (Eineinhalb Stunden, 2001), Toskana (2004) oder Tu a iarst tooch (Zum ersten Mal, 2006) befinden sich viele von Tadsens Figuren, offenbar in mittlerem Alter, in einem Zustand der Unentschlossenheit; einerseits bietet ihnen das Leben zahlreiche Möglichkeiten, andererseits hält es sie in Form von gutmeinenden Verwandten, verflossenen Liebschaften oder alten Gewohnheiten von neuen Ufern fern. Als Resultat münden die inneren Zwiegespräche, die die Figuren in Anbetracht der ihnen jeweils (selbst) auferlegten Herausforderungen führen, nicht selten in einem Verharren, einer Rückkehr zum Altbekannten. Ob Bedauern oder Erleichterung über die (von außen herbeigeführten) Entscheidungen in solchen Momenten überwiegt, lassen die Erzählungen offen. Die Frage, ob die Figuren das „Fliegen verlernt haben“ („Haa‘k det fläen ferliard?“, Tu a iarst tooch) steht dabei stets im Raum.

Gleichzeitig verhandelt Tadsen die Bedeutung von Empathie und sozialem Zusammenhalt. Figuren wie Stella (Stella, 2020) und Riesche (Riesches hingster/Riesches Pferde, 2014) sind zu Außenseitern der Gesellschaft geworden und ihre Geschichten bleiben so lange unerzählt, bis sich ihnen andere Figuren zuwenden bzw. die Erzählung Anteil an ihrem Schicksal nimmt. Doch gerade menschliche Beziehungen, etwa zu älteren, weiblichen Verwandten wie in Tante Lisbeth ütj Ameriko (Tante Lisbeth aus Amerika, 2010) und Toskana, Freund- und Liebschaften (Ööderhualew stünj) oder zum eigenen Kind (Tu a iarst tooch) sind, sosehr sich die Protagonistinnen auch um ein Fortführen bemühen, stets schon vergangen, verändert, müssen losgelassen oder neu gedacht werden. Im Falle von At naiberswüf (Die Nachbarsfrau, 2008) bleibt es bei angedeuteter erotischer Annäherung zwischen den zwei Frauen – diese Beziehung muss ganz im Reich der Fantasie ablaufen.

Ein weiteres wiederkehrendes Element in Tadsens Werk ist das Gefühl der Unzulänglichkeit, dass sich bei den Figuren im Angesicht herausfordernder Alltagssituationen einstellt, wie in No Panik Baby (2002), Toskana (2004), Jul (Weihnachten, 2005), Nei bral (Neue Brille, 2012) oder En roosenen ufgung (Ein rasender Abgang, 2018), wobei letztlich die gesellschaftlichen Konventionen selbst angezweifelt werden: Ist „Weinservice“ nicht eine alberne Sache, wie es der Verlauf der unbeholfenen Interaktion zwischen Aushilfskellnerin und Gast in En roosenen ufgung suggeriert? Und kann man ein Weihnachtsfest nicht einfach entspannt genießen wie letztlich in Jul? Die Geschichten führen vor, wie das Leben mithilfe von menschlicher Zuwendung und Humor eben doch gelingen kann.

6.7.2021 Wendy Vanselow