Amalie Schoppe

Schoppe, Amalie. Geboren als Emerentia Catharina Amalia Sophia Weise. Pseudonyme: Adalbert von Schonen, Amalia, Marie

Extrem produktive Romanautorin von der Insel Fehmarn

Geboren in Burg auf Fehmarn am 9. Oktober 1791
Gestorben in Schenectady (New York, USA) am 25. September 1858

Zwischen 150 und 200 Titel umfasst das Gesamtwerk der womöglich produktivsten Autorin der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Historische Romane, Sachbücher, Sagensammlungen, „Frauenliteratur“, vor allem aber Bücher für Kinder und Jugendliche bilden die Schwerpunkte in der überbordenden Bibliographie der gebürtigen Fehmarnerin Emerentia (auch: Emma) Catharina Amalia Sophia Schoppe, geborene Weise, deren eigene Kindheit als alles andere als sorglos bezeichnet werden kann.
1791 wird sie als Tochter des Arztes Friedrich Wilhelm Weise in Burg auf Fehmarn geboren. Über ihr Verhältnis zu ihrem Vater schreibt sie in ihren Memoiren:

Nie hat wohl zwischen einem Vater und seinem Kinde, so groß auch Eltern- und Kindes-Liebe sein mag, eine größere, innigere Liebe, ja, ich möchte sagen, Sympathie, existirt, als zwischen dem meinigen und mir, auch war unsere innere und äußere Aehnlichkeit sehr groß. Dieselben Neigungen, dieselbe Gemüthsstimmung, derselbe rege Trieb, uns zu unterrichten; dieselbe, fast schwärmerische Liebe für die Natur, zeichneten uns aus, und so kannte ich keine größere Glückseligkeit, als stets in der Nähe dieses geliebten Vaters zu sein, von dem ich nie, obgleich er sehr ernst war, ein hartes Wort erhalten zu haben erinnere, und der allen meinen kleinen Wünschen auf die liebevollste Weise entgegenkam.
Ich saß still neben ihm, wenn er las oder schrieb; sah ihm zu, wenn er malte, lauschte mit unbeschreiblichem Entzücken seinem Gesange am Clavier oder an der Harfe zu, die er beide meisterhaft spielte, und begleitete ihn sogar, wenn er seine Kranken besuchte, denn selbst dann, besonders wenn er zu Wagen weite Touren zu machen hatte, mochte er sich nicht von mir trennen.

Amalie Schoppe: Erinnerungen aus meinem Leben, in kleinen Bildern. Bd. 1. Altona 1838, S. 224f.

Nach dem plötzlichen Tod des Vaters kommt Amalie vorübergehend zu einem Onkel nach Hamburg, der das hochbegabte Mädchen „in Französisch unterrichtet aber auch misshandelt und unter dem Vorwand der Abhärtung vernachlässigt“. #1 Heimlich fängt sie an, Gedichte und Geschichten zu verfassen. Erst vier Jahre später, nach der zweiten Heirat ihrer Mutter Angelica Catharina mit dem Hamburger Kaufmann Johann Georg Burmeister, kehrt Amalie auf ihre Heimatinsel zurück. Infolge des Bankrotts ihres Stiefvaters während der Napoleonischen Kriege zieht sie 1806 abermals nach Hamburg, um dort dieses Mal eine Anstellung als Hauslehrerin anzunehmen. Sie lernt ihren späteren Ehemann, den Jurastudenten Friedrich Heinrich Schuppe, kennen (erst 1817 lässt er seinen Nachnamen in „Schoppe“ ändern) und bekommt 1811 einen unehelichen Sohn von ihm. Gleichzeitig lernt sie Adelbert von Chamisso, die Geschwister Varnhagen und Justinus Kerner kennen, der 1812/13 einige ihrer Gedichte publiziert.
1813 kehrt Amalie abermals nach Fehmarn zurück. Ein Vierteljahrhundert später beschreibt sie ihre Heimat so:

An der nördlichsten Spitze Holsteins und von diesem Herzogthume nur durch eine schmale Meerenge getrennt, liegt eine kleine Insel, die sowohl durch die Biederkeit und Gastfreundlichkeit ihrer Bewohner, als durch ihre außerordentliche Fruchtbarkeit berühmt ist. Sie hat einen Umfang von sieben Meilen und zählt zwei und vierzig Dörfer, nebst einer kleinen Stadt, die ziemlich weit nach Süden und nur eine Viertelstunde vom Meere entfernt liegt. Eine weite, fruchtbare Ebene breitet sich vor den Blicken aus, so wie man ihren Strand betritt; unabsehbare Getraidefelder umgeben reizende Dörfchen und Weiler; schmale Flüßchen und Bäche durchströmen die Ebene; von Waldung findet man kaum eine Spur und selbst Bäume sind nicht allzuhäufig, ausgenommen vor den Häusern und in den Gärten, anzutreffen, weil sorgsam jedes Fleckchen zum Ackerbau benutzt ist und der Schatten der Bäume diesem hinderlich sein würde.
Die meisten Bewohner dieser Insel, namentlich der weibliche Theil derselben, wissen vom Festlande wenig oder gar nichts, und obschon nur durch eine schmale Meerenge von diesem getrennt, giebt es doch noch viele, die es nie betreten haben. Dies hat den braven Leuten eine Einfachheit der Sitten erhalten, die man kaum noch antreffen zu können glaubt. Gastfreundlichkeit ist ein hervorragender Zug derselben, und der Fremde darf mit vollem Vertrauen in jedes Haus, in jede Hütte treten; man wird ihn mit dem Besten bewirthen, was man hat, man wird ihm Kuchen vorsetzen, die jede ordentliche Hausfrau stets im Vorrathe hat, Kaffee, Thee oder den schönen norwegischen Meth, der so lebhaft an die Götter der Vorzeit, die ihn in Walhalla tranken, und an so viele andere, ächt nordische Traditionen erinnert, und der hier so gut angetroffen wird, daß er den Wein völlig ersetzt.
Auf diesem so kleinen Flecke findet man noch eine unendliche Menge von Sagen; fast an jedes Dorf, an jeden Erdhügel knüpfen sich solche, und werden an den langen Winterabenden in den Spinnstuben mit Lust erzählt und angehört.

Amalie Schoppe: Erinnerungen aus meinem Leben, in kleinen Bildern. Bd. 1. Altona 1838, S. 99ff.

1814 heiratet Amalie den Vater ihres Kindes, Friedrich Heinrich Schuppe, siedelt allerdings erst 1817 zu ihm nach Hamburg über. Aber das Zusammenleben funktioniert nicht, nach wenigen Monaten schon zieht Amalie aus der gemeinsamen Wohnung aus. Auch ein zweiter Versuch scheitert, so dass das Paar sich 1821 trennt, ohne allerdings jemals offiziell die Scheidung einzureichen.

Bereits 1819 nimmt Amalie Schoppe einen „romantisch-empfindsamen Freundschaftsbund“ #2 mit der Schriftstellerin Fanny Tarnow (1779-1862) auf und leitet mit ihr bis zu ihrer beider Zerwürfnis in Wandsbek eine Erziehungsanstalt für Mädchen. Nach diversen gescheiterten Anläufen als Lehrerin und Korrespondentin, gelingt ihr, neben zahlreichen Veröffentlichungen in unterschiedlichsten Magazinen, mit ihrem ersten Roman endlich der Einstieg ins Leben in die „Brotschriftstellerei“ #3: Lebensbilder oder Franziska und Sophie. Roman in Briefen, besonders für Frauen und Jungfrauen erscheint 1824 in zwei Bänden und verweist bereits früh auf das Zielpublikum, das Amalie Schoppe von nun an hauptsächlich anvisieren wird.

Von einer geradezu buchstäblichen Schreibwut befeuert, kennt ihre schriftstellerische Produktivität von nun an kein Halten mehr. In einem Brief an Helmina von Chézy klagt sie:

Es ist mein Unglück, daß eine so große Fülle von Stoff noch in mir ist […]. Es treibt und drängt unaufhörlich in mir; Bild reiht sich an Bild, ja, alles was sich mir im Leben als bemerkenswert darbietet, wird in mir zur Erzählung, zum Roman, der oft dem Inhalt nach in fünf Minuten vollendet vor mir steht. Woher nun all die Zeit nehmen, selbst die physische Kraft, das aufs Papier zu bringen und endlich einmal in der Rumpelkammer aufzuräumen?

Brief vom 9. Oktober 1824, zitiert nach Otto Brunken: „Amalie Schoppe (1791-1858): Florinda und Corallina“. In: Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Von 1800 bis 1850. Stuttgart 1982, Sp. 405.

Allein im Jahr 1826 veröffentlicht Amalie Schoppe neun Romane, einige zwei- und gar dreibändig. Daneben übersetzt sie regelmäßig aus dem Englischen, Spanischen und Französischen. 1832 organisiert sie eine Geldsammlung, um dem noch unbekannten und jungen Friedrich Hebbel das Studium zu ermöglichen.
Ob sie ihre Heimatinsel Fehmarn noch einmal besucht hat, ist nicht bekannt. Mit ihrer Mutter übersiedelt sie 1842 nach Jena, kehrt 1845, zwei Jahre nach deren Tod, nach Hamburg zurück und wandert schließlich 1851 zu ihrem Sohn in die USA aus. Sie gibt Privatstunden, schreibt noch ein paar Romane und gelegentlich Artikel für deutsche Zeitungen und führt bis 1858 einen Kurzwarenhandel in ihrer neuen Heimatstadt Schenectady im Bundesstaat New York. Am 25. September 1858 stirbt sie an den Folgen eines Schlaganfalls. Kurz darauf erscheint in Deutschland ihr letzter Erzählungsband: Die Holsteiner in Amerika.

30.06.2021 Jens Raschke

ANMERKUNGEN

1 Nikolaus Gatter: Art. „Schoppe, Amalie“, in: Neue Deutsche Biographie. Bd. 23. Berlin 2007, S. 474.

2 Otto Brunken: „Amalie Schoppe (1791-1858): Florinda und Corallina“. In: Handbuch zur Kinder- und Jugendliteratur. Von 1800 bis 1850. Stuttgart 1982, Sp. 404.

3 Ebd., Sp. 405.