Juliana Kálnay

Kálnay, Juliana

Groteske und Realität

Geboren am 18. August 1988 in Hamburg

Können Bäume sprechen? Bei Juliana Kálnay, Autorin des Überraschungserfolgs Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens, ist alles möglich, weil die Autorin eine erweiterte Auffassung von Wirklichkeit hat. „Es ist nicht so, dass ich primär von der Realität ausgehe, dass ich sage, ich habe etwas beobachtet und möchte das in Literatur umwandeln. Sondern bei mir geht es eher von den Motiven aus, und das sind meistens eher surreale oder groteske Motive, an denen ich mich dann entlang schreibe. Natürlich ist es aber so, dass man geprägt ist von dem, was man kennt. Man kreiert die Bilder ja nicht aus dem Nichts heraus, auch wenn es surreale Bilder sind.“ #1

Juliana Kálnay wurde als Tochter argentinischer Eltern am 18. August 1988 in Hamburg geboren. Sie wuchs zweisprachig auf, studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus sowie im Master Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim. #2

„Nach einem Volontariat bei der edition text+kritik in München zog sie nach Kiel, wo sie am Literaturhaus Schleswig-Holstein tätig war. Hier organisierte sie in den Jahren 2015 und 2016 das Europäische Festival des Debütromans#3, an dem sie dann 2017 mit ihrem eigenen Debüt Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens teilnehmen konnte. Das Buch wurde zweifach preisgekrönt und ein respektabler Erfolg; im März des Jahres wurde der Roman auf der Bestenliste des SWR verzeichnet. 2019 folgte Die Stadt ist nicht die Stadt, ein Text im Auftrag des Literaturbüros Ostwestfalen-Lippe, der von einem Rechercheaufenthalt in Bielefeld inspiriert war. Es handelt sich um eine, so Kálnay, „‚poetische Verschränkung‘, eine prosaische, assoziative Annährung an die Menschen, die Geschichte(n), die Plätze und Straßen der Stadt, in der Reales und Fantastisches ineinanderfließen“. #4 Seit dem Wintersemester 2018/2019 ist Kálnay künstlerisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). #5

Kálnays Debüt Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens istein Wimmelbild verschiedener Figuren und unterschiedlicher Zeitebenen, verknüpft durch ein Wohnhaus, dessen Mauern nicht nur im übertragenden Sinne transparent sind“. #6 Die Autorin sagt dazu: „Der Roman arbeitet sehr viel mit Leerstellen. Es sind Fährten gelegt, die beim Leser bestimmte Assoziationen auslösen können, die auch so intendiert sind, die aber so nie explizit drinstehen. Und dann gibt es wieder Fährten, die vielleicht Assoziationen in eine andere Richtung lenken, und am Ende liest dann jeder vielleicht ein anderes Buch, weil vieles, was da an Fährten gelegt wird, gar nicht wirklich aufgelöst wird.“ #7 Der Roman wurde von der Autorin mittlerweile ins Spanische übersetzt.

Juliana Kálnay hat 2016 das Arbeitsstipendium Literatur der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein und 2017 das LCB-Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats erhalten.

Für Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens ist sie sowohl mit dem Aspekte-Literaturpreis 2017 sowie dem Friedrich-Hebbel-Preis 2018 ausgezeichnet worden. Ebenfalls 2018 wurde ihr zudem das Prager Literaturstipendium zugesprochen.

27.7.2022 Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Cornelius Wüllenkemper: Spanner auf dem Balkon. Deutschlandfunk, 16. Mai 2017. Zit. n.  https://www.deutschlandfunk.de/juliana-kalnay-eine-kurze-chronik-des-allmaehlichen-100.html.

2 Vgl. zur Biografie: Juliana Kálnay. In: Literaturport. Zit. n. https://www.literaturport.de/Juliana.Kalnay/.

3 Juliana Kálnay. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Juliana_K%C3%A1lnay.

4 Literaturblog Irgendwas is immer, 30. Oktober 2019. https://bielefelderstadtbibliothek.wordpress.com/2019/10/30/juliana-kalnay-aufgeschlagen-owl-die-stadt-ist-nicht-die-stadt-80-feststellungen.

5 Vgl. https://www.khm.de/lehrende/id.29218.juliana-kalnay .

6 Cornelius Wüllenkemper: Spanner auf dem Balkon. Wie Anm. 1.

7 Ebd.