Emil von Schönaich-Carolath

Schönaich [auch Schoenaich]-Carolath, Emil Rudolf Osman von.

Spätromantischer „Dichterprinz“ mit Herz für die Tiere

Geboren in Breslau am 8. April 1852
Gestorben auf Gut Haseldorf am 30. April 1908

Selbst in einem Land wie Schleswig-Holstein, wo der Adel eine große Rolle in der Geschichte und auch in der Literaturgeschichte spielt, ist ein „Dichterprinz“ eine eher ungewöhnliche Erscheinung. Genau diesen Ehrentitel trägt aber Emil von Schönaich-Carolath, verbunden mit einer geografischen Konkretisierung: Die Bezeichnung „Der Dichterprinz aus der Haseldorfer Marsch“ hat sich bis heute für diesen ansonsten kaum mehr bekannten Autor gehalten. In Haseldorf liegt das (bis heute im Familiensitz befindliche) Herrenhaus des Prinzen, das er nicht nur selbst viele Jahre bewohnte, sondern auch anderen Schreibenden gastfreundlich zur Verfügung stellte – besonders wegen seiner Bemühungen um Rilke ist Schönaich-Carolath heute noch bekannt, und auch Detlev von Liliencron und Gustav Falke hat er unterstützt und beherbergt.

Trotz seines Beinamens muss man sich Schönaich-Carolath nicht als knorriges, auf seinem alten Familienbesitz verwurzeltes adeliges Urgestein vorstellen: Seine Biografie ist durchaus kosmopolitisch, und in der Elbmarsch ließ er sich erst nach Stationen in Schlesien, Hessen und Italien sowie ausgedehnten Reisen durch den Balkan und Griechenland nieder. Auch in seiner Literatur ist er geografisch wenig festgelegt und weit davon entfernt, sich auf norddeutsche Schauplätze zu beschränken. Stattdessen ruft er immer wieder Orte auf, die für seine deutsche Leser*Innenschaft als exotisch gelten konnten, und gestaltet sie nicht frei von Klischees, aber formal durchaus gekonnt:

Es war zu Rom. Des Pincios Terrasse,
Die lorbeerdunkle, strenge, marmorblasse,
Durchzog im Korso buntgeschart die Menge,
Und Wagenreihen teilten das Gedränge.
Den Frühlingstag genoß das Volk zu Rom;
Durchs Stimmgewirre schlug vom Petersdom
Und San Onofrio bald dumpf, bald helle
Das Abendläuten, und dazwischen klang
Ein Walzertakt, den die Musikkapelle
Mit Geigenstrichen melancholisch sang.

Prinz Emil von Schönaich-Carolath: Die Unbekannte. In: Gesammelte Werke. Bd. 1: Dichtungen. 2. Auflage, Berlin, Leipzig: De Gruyter 1922, S. 182.

Wenn es Schönaich-Carolath poetisch doch einmal in den Norden verschlägt, weht dort wie in Rom ein düsterer, entsagungsvoller Ton, und wer die Lyrikgeschichte Schleswig-Holsteins kennt, mag sich an Theodor Storm oder Liliencron erinnert fühlen:

Ein Heidemoor fahl wie der Tod.
Riedgras auf dürft’gem Schollensod,
Ein stockendes Wagengeleise,
So jäh in Glut und Staub verweht,
Als spräch’ es: Wandrer, wohin geht
Dereinst die letzte Reise?

Prinz Emil von Schönaich-Carolath: Über dem Moore. In: Gesammelte Werke. Bd. 2: Gedichte. 2. Auflage, Berlin, Leipzig: De Gruyter 1922, S. 116.

Die düstere Atmosphäre, die viele seiner Gedichte auszeichnet, lässt sich auch in Schönaich-Carolaths Prosa finden. Insbesondere in seinen späteren Werken zeigt sich ein Interesse an sozialen und ethischen Fragen, etwa in der Novelle Bürgerlicher Tod (1889), in der nicht nur Armut und gesellschaftlicher Zerfall, sondern auch der herzlose Umgang des Bürgertums mit den Schwachen thematisiert und kritisiert werden – „trübe Blasen“, die „auf der Oberfläche eines geordneten Staatswesens“ aufsteigen #1 und die nur durch die Hinwendung zu christlichen Werten zu kurieren sind. Ein für die Zeit ungewöhnliches Leitthema in Schönaich-Carolaths Werk ist das Leid der Tiere, das er immer wieder aufgreift, am nachdrücklichsten in der Novelle Der Heiland der Tiere:

„Ich höre Euch sagen: Es hat kein Recht, das Tier. Euch lähmt Irrtum! das Tier ist ein Fluchgenosse: durch unsere Übeltat, durch den Sündenfall, ward es mitgerissen in unser Elend. […] Jeder Schlag, aus Ungerechtigkeit und Mißbrauch gegen die Wehrlosen geführt, falle fortan auf euch zurück, werde euch zugerechnet am Jüngsten Tage. Das Tier, es hat fortan ein Recht! […]“

Prinz Emil von Schönaich-Carolath: Der Heiland der Tiere. In: Gesammelte Werke, Bd. 5. 2. Auflage, Berlin, Leipzig: De Gruyter 1922, S. 188.

Mit solchen herben Worten und Stoffen weist der Autor über seine Zeit hinaus – seine Novelle Die Kiesgrube, in der es um den Tod eines beim Militär eingesetzten Pferdes geht, erinnert thematisch an Texte des Expressionismus, in denen das Leiden der Pferde ebenfalls zum Symbol für die sinnlosen Verwüstungen des Kriegs wird.

Emil von Schönaich-Carolath ist 1908 in Haseldorf gestorben; sein Grab befindet sich auf dem Friedhof des Guts.

22.6.2022 Jan Behrs

ANMERKUNGEN

1 Prinz Emil von Schönaich-Carolath: Bürgerlicher Tod. In: Gesammelte Werke, Bd. 6. 2. Auflage, Berlin, Leipzig: De Gruyter 1922, S. 78.