Jens Immanuel Baggesen

Baggesen, Jens Immanuel; Pseudonym(e): Dannwaller.

Republikanisch gesinnter Dichter, Justizrat, Theaterdirektor

Geboren in Korsør am 15. Februar 1764
Gestorben in Hamburg am 3. Oktober 1826

Die Bedeutung des dänischen Literaten, Übersetzers, Kosmopoliten und Gelehrten Jens Immanuel Baggesen für die kulturelle Vermittlung zwischen Deutschland (insbesondere Schleswig-Holstein) und Skandinavien (insbesondere Dänemark) kann nicht genug betont werden. Umso erstaunlicher, dass dieses „romantischen Aufklärers, […] enthusiastischen Kämpfers für Toleranz und Völkerverständigung und gegen die Ungeheuer des Chauvinismus und namentlich des Antisemitismus“ heute kaum noch gedacht wird. Außer seinem Grabstein auf dem Kieler Eichhoffriedhof, wo Baggesen und seine erste Frau Sophie beerdigt sind, erinnert nicht viel an das Wirken jenes Mannes, den man seinerzeit aufgrund seines aufklärerischen Witzes auch als „dänischen Wieland“ feierte und den Adalbert Eschenbroich 1953 „eine leicht beeinflussbare, aber zugleich von reizbarem Subjektivismus gequälte Natur“ genannt hat, einen „Ruhelosen“, von Johann Wolfgang von Goethe als „fratzenhaftes Talent“, von Friedrich Schiller als „feurige[r] Genius“ charakterisiert.

Jens Baggesen, der sich erst während seines Studiums den Beinamen „Immanuel“ geben wird (aus Verehrung seines deutschen Lieblingsphilosophen Kant), kommt 1764 als Sohn armer Leute im dänischen Seeland zur Welt. Schon als Zwölfjähriger muss er als Kopist arbeiten. Ein Stipendium ermöglicht es dem jungen Talent, ab 1785 zu studieren, zunächst in Kopenhagen, dann in Göttingen. Zur selben Zeit veröffentlicht er erste Erzählungen auf Dänisch, die bald so erfolgreich sind, dass Baggesen kreuz und quer durch Europa reisen kann. Er heiratet die Bernerin Sophie von Haller und zeugt mit ihr zwei Söhne. 1790 lernt er in Weimar und Jena Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Friedrich Gottlieb Klopstock kennen und tritt dem Orden der Illuminaten bei.

Zwischen 1792 und 1793 entsteht Jens Baggesens bis heute berühmtestes Werk, der launige, teilautobiografische Reisebericht Labyrinten elle Reise gjennem Tydskland til Schwei (dt. Labyrinth oder Reise durch Deutschland in die Schweiz). Baggesen schildert darin seine Reise durch halb Europa, die ihn 1789, inmitten der von ihm begeistert gefeierten Französischen Revolution, von Kopenhagen aus über Kiel, Eutin, Hamburg, Hannover und Kassel bis nach Basel führte.

Es folgen Stationen eines unsteten Lebens: Schweiz, München, Wien, Venedig, Mailand, Weimar, Paris, Eutin und Kiel, mal mit, mal ohne Frau und Kinder. Ende 1796 wird er zum Probst in Kopenhagen ernannt, doch da ist seine Frau Sophie bereits schwer an der Schwindsucht erkrankt und verstirbt im Mai 1797, kurz vor einem geplanten Kururlaub in Italien, in Kiel, wo sie auf dem St.-Jürgen-Friedhof beigesetzt wird. Baggesen selbst verbringt die Söhne zur Großmutter in die Schweiz und geht nach Paris, wo er zwei Jahre später erneut heiratet. Mit den Söhnen und ihrer Stiefmutter Fanny kehrt Baggesen zurück nach Kopenhagen; doch auch dieser Aufenthalt ist von begrenzter Dauer, da ihm seine neuen Tätigkeiten als Schulpräpositus und Theaterdirektor nur wenig zusagen.

Unterdessen veröffentlicht Jens Baggesen weiterhin Gedichte und Reiseschilderungen und arbeitet außerdem an einer eigenen Version des Faust. 1811 folgt er einem Ruf als Professor an die Universität Kiel, wo er bis 1813 dänische Sprache und Literatur lehrt und in dieser Position zu einem wichtigen Vermittler der skandinavischen Literatur in Deutschland erwächst.

Nach der erneuten Rückkehr nach Kopenhagen und infolge einer langwierigen, öffentlich ausgetragenen Fehde mit Dänemarks Nationaldichter Adam Oehelschläger verarmt Jens Baggesen, bei dem sich jetzt immer öfters Anzeichen einer Depression zeigen, innerhalb weniger Jahre. Die zweite Ehefrau stirbt, er selbst muss kurzzeitig ins Gefängnis und macht danach eine letzte große Reise durch Deutschland bis in die Schweiz. Auf der Heimreise nach Dänemark verstirbt der dänischer Wieland am 3. Oktober 1826 in einem Hamburger Freimaurerspital und wird schließlich neben seiner ersten Frau Sophie in Kiel beerdigt. Zehn Jahre später veröffentlichen seine Söhne sein auf Deutsch verfasstes satirisches Theaterstück Der vollendete Faust oder Romanien in Jauer.

Als der Kieler St.-Jürgen -Friedhof im Zentrum Kiels Mitte der 1950er Jahre aufgelöst und eingeebnet wird, werden zuvor die sterblichen Überreste von Jens und Sophie Baggesen während der Kieler Woche am 23. Juni 1955 auf den Eichhoffriedhof umgebettet.

Am 3. April 1986 entdeckte der dänische Astronom Poul Jensen im Hauptgürtel einen bis dato unbekannten Asteroiden. 14 Jahren später wurde dieser auf den Namen (4088) Baggesen getauft.

15.3.2021 Jens Raschke