Annik Saxegaard

Saxegaard, Anna Constance; Pseudonym(e): Berte Brett; Nina Nord; Ulla Scherenhof; Eddie Eng; Cara Mell.

Geboren in Stavanger am 21. Mai 1905
Gestorben in Kiel am 16. August 1990

Berte Bratt, Nina Nord und Ulla Scherenhof – die Norwegerin Annik Saxegaard hat ihre Leserinnenschaft unter so manch wohlklingendem Pseudonym entzückt, und das über fast ein halbes Jahrhundert und in mindestens 158 Romanen mit einer Gesamtauflage von rund fünf Millionen. „Jungmädchenbücher“ tauft das zeitgenössische Feuilleton diese ebenso spezielle wie erfolgreiche, erzählerisch eher einseitige Form der Jugendliteratur. Der Kinderliteraturforscher Malte Dahrendorf charakterisiert Saxegaards Erzählstil folgendermaßen:

[Sie] plädiert in ihren gewandt und mit einer gewissen natürlichen Lebendigkeit geschriebenen Mädchenerzählungen für „innere Werte“ wie Güte, Bescheidenheit, Einfachheit, Familiensinn, Zufriedenheit, liebevolle Rücksicht, Tradition, Anstand und Sitte. […] In den Themen beschränkt [sie] sich auf familiäre und andere Nahbeziehungen wie Freundschaft und Liebe, die nur durch die – allerdings wieder konfliktlose – Internationalität der Beziehungen ein wenig erweitert werden, indem die Verfasserin die Liebenden gern verschiedenen Ländern zuordnet, meist den nordischen oder einem nordischen und Deutschland. Trotz aller modernen Kulisse […] stellt die Verfasserin eine geschlossene, ständisch fest gegliederte Welt mit einer romantischen Vorliebe für einfache ländliche Verhältnisse dar, in der Glück nur durch Verzicht auf Politik (als Wille zur Veränderung) und Rückzug ins Private erreichbar ist.

Malte Dahrendorf: „Bratt, Berte“, in: Klaus Doderer (Hg.): Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur, Band 1. Weinheim/Basel 1975, o.S.

Die 1905 in Stavanger geborene Tochter einer deutschen Musikerin und eines norwegischen Ingenieurs schreibt schon früh für Zeitungen und den Rundfunk, versucht sich auch als Schauspielerin beim Stummfilm, bevor sie mit dem Verfassen von Tiergeschichten für Kleinkinder beginnt. „Dann folgte ein Roman“, so Saxegaard später, „und dann fing ich mit den Mädchenbüchern an. […] Ich hatte das große Glück, dass das erste Mädchenbuch, das in Deutschland erschien (Meine Tochter Liz) ein sehr schöner Erfolg wurde und mir meinen weiteren Weg auf dem deutschen Büchermarkt ebnete.“ #1

Während des Zweiten Weltkrieges ist Saxegaard im norwegischen Widerstand aktiv und erhält drei Jahre nach Kriegsende, angeblich als erste Journalistin ihres Landes, die Einreiseerlaubnis nach Deutschland #2. Hier lernt sie die Kieler Kinderärztin Lore-Lotte Erika Preuß kennen, die sich während des Krieges als selbstlose Wohltäterin hervorgetan hat. Die beiden Frauen befreunden sich, und nach mehreren kürzeren und längeren Besuchen in der Fördestadt bricht die Autorin im März 1954 endgültig ihre Zelte in Oslo ab und zieht zu Frau Dr. Preuß in die Augustenstraße 59 im Kieler Arbeiterstadtteil Gaarden. Zehn Jahre später beziehen die beiden gemeinsam das „Häuschen am Fluss“ im Wehdenweg 56 in Wellingdorf. Zu dem Zeitpunkt schreibt Saxegaard schon längst alle ihre Bücher auf Deutsch, für verschiedene Verlage, in verschiedenen Reihen und unter verschiedenen Pseudonymen, am erfolgreichsten als Berte Bratt (Ein Mann für Mette), aber ebenso als Ulla Scherenhof (Gut gemacht, Gina) und als Nina Nord (Bezaubernde Vivi). In ihren Büchern versendet sie, neben jugendlichem Frohsinn und herzpochender Romantik, gerne auch mal direkte Grüße und begrenzte Einblicke in ihre Privatleben an die stetig nachwachsende neugierige Leserinnenschaft:

Es geht mir mit der deutschen Sprache wie jenem Professor mit seiner Frau: Ich liebe sie, aber ich beherrsche sie nicht!
An Hobbys habe ich eine ganze Menge:
Reisen – am liebsten nach Afrika. Ich fahre jedes Jahr nach Ostafrika.
Tiere – ich bin ein „geborener Tiermensch“ und fühle mich nie glücklicher, als wenn ich mit Tieren zu tun habe.
Musik – habe eine schöne Sammlung klassische Musik auf Stereobändern.
Stricken – entwerfe selbst meine Muster, es macht mir einen Heidenspaß.
Kochen – wohne mit einer Freundin zusammen, koche gern, und sie behauptet, dass ich in der Küche immer einen Ausdruck des wahren Glücks habe.
Dann drehe ich Schmalfilme, die ich vertone; habe auch vier lange Trickfilme gedreht – lauter Einzelbildaufnahmen mit kleinen Spielzeugtieren als Personen. Mühsam, aber lustig.

Zit. n. www.anniksaxegaard.iphpbb3.com

Anlässlich ihres 80. Geburtstags veröffentlichen die Kieler Nachrichten einen würdigenden Artikel über die „in Kiel lebende Jugendbuch-Millionärin“, deren letzte Buchveröffentlichung, Alles kam ganz anders, da schon eine Weile zurückliegt:

Seit drei Jahren kann sie, behindert durch ein Knochenleiden, nicht mehr an der Schreibmaschine sitzen. Jetzt lebt sie zurückgezogen mit ihrer langjährigen Freundin und dem Pudel Bisken in ihrer Kieler Wohnung. Sie strickt mit Begeisterung und blickt zufrieden auf eine ereignisreiche Vergangenheit zurück: das liberale Elternhaus in Stavanger, die Schulzeit in Oslo, die glückliche Scheidung von ihrem Mann 1947, die vielen Reisen rund um die Welt, der Erfolg ihrer Bücher und all die Menschen, die sie kennengelernt hat.

„Berte Bratt hat das Herz auf dem rechten Fleck“, in: Kieler Nachrichten vom 21. Mai 1985

Am 16. August 1990 stirbt Annik Saxegaard nach langer Krankheit in Kiel. Ihre letzte Ruhestätte findet sich auf dem Ostfriedhof, und an ihrer ehemaligen Wohnung in der Augustenstraße in Kiel-Gaarden erinnert eine Gedenktafel an die produktive Autorin. Ihre millionenfach verkauften Mädchenromane sind heute nur noch antiquarisch erhältlich, werden aber noch immer gesucht und gelesen.

28.5.2021Jens Raschke

ANMERKUNGEN

1 Zit. n. www.anniksaxegaard.iphpbb3.com

2 Vgl. Herzog, Ingvild Christine: „… hvorfor snakes de hånlig om ‘happy end’…?” Ungpikeboken – populær litteratur eller populærlitteratur. Universitetet i Oslo [Litteraturvetenskap], Oslo 1997, o.S.