Andrea Paluch

Paluch, Andrea

Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Übersetzerin

Geboren in Langenhagen am 14. Mai 1970
 

Aufgewachsen ist Andrea Paluch in Niedersachen - in Berenbostel bei Hannover. In der Landeshauptstadt nahm sie nach dem Abitur auch ihr Studium auf - Literaturwissenschaft, Linguistik und Englische Philologie –, das sie in Freiburg, Hamburg und im dänischen Roskilde fortsetzte. Während des Studiums lernte sie Robert Habeck kennen, das Paar heiratete 1996. 2000 promovierte Andrea Paluch in Hamburg über zeitgenössische britische Lyrik – zu dem Zeitpunkt war sie bereits Mutter von drei Söhnen. Als 2002 der vierte Sohn das Licht der Welt erblickte, war die Familie schon nach Großenwiehe bei Flensburg umgezogen und das Ehepaar Paluch/Habeck hatte den ersten gemeinsamen literarischen Erfolg in der Tasche.

Denn Andrea Paluch begann als Autorin im Team mit ihrem Mann. 2001 debütierten beide mit dem Roman Hauke Haiens Tod, der an StormsSchimmelreiter-Novelle anknüpft. Das Wagnis zahlte sich aus. Der renommierte Fischer-Verlag veröffentlichte das selbstbewusst eingereichte Manuskript der beiden Newcomer. In Storms Novelle kommen der legendäre Deichgraf und seine Frau während einer katastrophalen Jahrhundertsturmflut um. Aus der Sicht der Hinterbliebenen wird die Tragödie bei Paluch/Habeck nach 15 Jahren noch einmal aufgerollt. Das Buch wurde ein voller Erfolg. Und nicht nur das: das 2002 von Paluch/Habeck verfasste Drehbuch Die Schattenreiterin / Hauke Haiens Tod wurde mit dem Förderpreis des Landes Schleswig-Holstein ausgezeichnet.

Die außergewöhnliche Arbeitsgemeinschaft des schreibenden Paares hielt mehrere Jahre. Gemeinsam veröffentlichten Andrea Paluch und Robert Habeck Romane für Erwachsene und Jugendliche, darunter Der Schrei der Hyänen (2004), dessen Handlung von der blutigen Unterdrückung der Herero in Namibia 1899 zu den Querelen einer Senatorenfamilie im Hamburg Mitte des 20. Jahrhundert führt. Im Fokus von Zwei Wege in den Sommer (2006) steht ein18-Jähriger, der nach dem Freitod seiner Zwillingsschwester ebenfalls Selbstmordphantasien entwickelt. Gemeinsam übersetzte das Paar englischsprachige Lyrik, nach langer Pause verfassten beide zudem im hundertsten Jahr nach dem Kieler Matrosenaufstand das Schauspiel Neunzehnachtzehn (2018) als Auftragsarbeit für das Theater Kiel.

Seit Robert Habeck als Politiker arbeitet, ist das „Flensburger Autorenduo“ weitgehend Geschichte. „Mein Mann macht jetzt Politik und ich schreibe allein“, so Andrea Paluch in einem Interview. Von Anfang an habe sie seine Entscheidung unterstützt: „Sich verkaufen, reden, lösungsorientiert sein, Visionär sein, diplomatisch sein, Mehrheiten herstellen. All das macht ihm Spaß. Auch das Streiten. Insofern ist das der perfekte Beruf für ihn.“ #1 Doch Andrea Paluch ist auch im Alleingang erfolgreich. So arbeitete sie etwa als Kolumnistin für den Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (ihre gesammelten Kolumnen gibt es seit 2010 als Buch unter dem Titel Nichts ist alltäglich) und war als Dozentin an der Europa-Universität in Flensburg tätig. Auch das Schreiben von Romanen hat sie nicht aufgegeben. Die Geschichte einer Ehe, die über die Karriere des Mannes aus der Balance gerät, ist Thema in Zwischen den Jahren (2012). Das klingt nach einer Aufarbeitung eigener Erfahrungen. Tatsächlich ist der Ehemann hier aber kein aufstrebender Politiker, sondern ein erfolgreicher Talk-Master. In ihrem jüngsten Buch Gipfelgespräch (2020) unternimmt die Erzählerin, eine Frau in der Lebensmitte, eine Bergwanderung und trifft dabei vor allem sich selbst. Die Stimmen der Vergangenheit verbinden sich zu einem Gespräch über das Leben an sich - auch darüber, eine Frau zu sein. Und eine Mutter, die sich verlassen fühlt, als nach und nach die eigenen Kinder das elterliche Nest verlassen. Andrea Paluch kennt dieses Gefühl. Ihre Söhne sind bereits ausgeflogen. „Ich bin da, wo Bedarf ist“, sagte sie in einem taz-Interview #2 – und das ist heute immer häufiger in Berlin.

17.5.2021 Sabine Tholund

ANMERKUNGEN

1 Autorin Andrea Paluch: „Robert macht jetzt Politik und ich schreibe allein“. Deutschlandfunk Kultur, 17. August 2018. Moderation Britta Bürger. Online unter https://www.deutschlandfunkkultur.de/autorin-andrea-paluch-robert-macht-jetzt-politik-und-ich-102.html

2 Antje Lang-Lendorff: „Es war plötzlich einsam bei uns“ – Buchautorin Andrea Paluch im Gespräch. taz vom 26.3.2021. Online unter https://taz.de/Buchautorin-Andrea-Paluch-im-Gespraech/!5758583/