Reimer Boy Eilers

Eilers, Reimer Boy (auch: Reimer Eilers)

Geboren in Wedel am 15. Dezember 1948

Reimer Boy Eilers, der auch unter dem kürzeren Namen Reimer Eilers publiziert, gibt sich in seinem Werk emphatisch als Helgoländer zu erkennen: Er wurde zwar auf dem Festland in Wedel geboren, kehrte aber mit seiner von Helgoland stammenden Familie in den 1950er Jahren auf die Insel zurück, nachdem das durch die Rückgabe an Deutschland möglich geworden war. Die Kindheit auf der weitgehend zerstörten Insel beschreibt Eilers als gleichermaßen frei wie abenteuerlich:

Der Krieg hatte die Insel in Trümmer gelegt und aus dem eingesessenen nordfriesischen Erdstück ein Fantasieland geschaffen, teils Wilder Westen, teils Nibelungenlied. Wir streiften als Cowboys durch Felswüsten, als Ritter durch Ruinen, roh und ungeschliffen wie das Volk der Bauarbeiter, mit denen wir zusammen in Baracken hausten.

Reimer Eilers: Eine Kindheit auf Helgoland. In: Die Entdeckung des Meeresleuchtens. Gedichte. Kiel: Agimos 2000, S. 154.

Nach dem Abitur in Rendsburg studierte Eilers in Hamburg Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaften und Soziologie; 1980 veröffentlichte er seine wirtschaftswissenschaftliche Dissertation. Seit seiner ersten belletristischen Buchpublikation, All die verwirrten Männer von 1984, hat er etliche Bände mit Prosa und Lyrik veröffentlicht, in den letzten Jahren meist im Hamburger Verlag Kulturmaschinen. Neben Bezügen zu seinem langjährigen Wohnort Hamburg, etwa in Ebenholz und schwarze Tränen (1990/2015), einem „Hafen-Krimi“ um den Privatdetektiv Yakub Singer, setzt er sich in seinen Werken immer wieder mit Helgoland und generell dem maritimen Leben auseinander, etwa in dem Gedicht In der Nachsaison:

Die Schiffe bleiben aus. Stille Atmen
Stürme treiben Möwen in den Hafen. Und wieder
Stille. Mit dem Wetter wächst die Geduld irgendwann
Kommt das Eis oder
Auch nicht. Die Nachsaison wird jedes Jahr wärmer

Reimer Eilers: In der Nachsaison. In: Der Tag an dem das Meer gestohlen wurde. Gedichte. München: Stora 1995, S. 9, V. 1–5.

Gelegentlich wird das Bekenntnis zur eigenen Herkunft auch weiter programmatisch ausgebaut, sodass im Gedicht eine Gemeinschaft der Insulaner*Innen entsteht:

Meine Südsee heißt Nordsee.
Mein Atoll ist ein roter Felsen in dieser Nordsee.
Mein Dorf fiel einen Lidschlag vor Hitlers Ende
in Schutt und Asche. Sieben Jahre fielen Bomben auf die Ruinen.
Das gab ein Training in der See.
Dann schmerzte dieser Frieden selbst die Sieger.
Heute steigt die Heimat auf meinem Kurs gegen den Horizont auf.
Ich grüße euch, Brüder und Schwestern auf den Inseln.

Reimer Eilers: September. Nordsee. In: Die Entdeckung des Meeresleuchtens. Gedichte. Kiel: Agimos 2000, S. 87.

Vielleicht ihren ambitioniertesten Ausdruck findet Eilers’ Beschäftigung mit Helgoland in seinem umfangreichen Roman Das Helgoland, der Höllensturz (2019). Hier wird nicht nur eine skurrile Kriminalgeschichte aus dem 16. Jahrhundert erzählt, sondern durch das Einmontieren von historischen Illustrationen, Mottos auf Halunder (Helgoländer Friesisch) und anderem Material eine Art Kulturgeschichte der Insel in Angriff genommen, die von Anfang an ihren ausgesprochen weiten Fokus verrät:

Sturm und Wellen trotzend, liegt ein roter Felsklotz frei in der Nordsee. Auf seiner Ostseite schauen die Sanddünen wie neugierige Robben aus dem Meer. In ihrer Mitte erhebt sich ein weiterer Felsen, schneeweiß wie die Unschuld am Anfang der Welt. Von Westen rollen die immergrünen Wogen gegen die Insel. Sie peitschen die Klippen und zermürben den Felsen, der ihnen alljährlich seinen Tribut zollt. Ein Stück nach dem anderen bricht ab und stürzt in die Flut. Dort vollendet die mahlende See ihr Werk, sodass es in späteren Jahrhunderten kein Helgoland mehr geben wird, wie es auch früher keins gab.

Reimer Boy Eilers: Das Helgoland, der Höllensturz. Oder Wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet, obwohl die Dreizehenmöwen hier mit Rosinen gegessen werden. Roman und Moritat von der mittelalterlichen Insel. Hamburg: Kulturmaschinen 2019, S. 9.

Doch Eilers’ Aufmerksamkeit beschränkt sich nicht auf Helgoland: Sein Werk führt uns nicht nur an diese, sondern auch an viele andere Küsten, etwa an die von Sylt, dessen ikonische Silhouette sein gleichnamiges typografisches Gedicht abläuft und thematisiert:

Auch in seinem neuen Gedichtband Mehr Nordsee (2021) widmet er sich wieder ganz dem Meer und seinen Stimmungen, und ein Roman zu Ferdinand Magellan und seiner Weltumseglung ist in Arbeit. In der Tradition der englischen Reiseliteratur steht sein umfangreicher Roman Die schlimmste Küste der Welt. Von Chiloé zur Magellanstraße.

Neben dem eigenen Schreiben ist Eilers noch in anderer Weise im Dienst der Literatur tätig: Er war 1986 Mitgründer der Autorengruppe PENG und ist seit vielen Jahren im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) aktiv. Seit 2016 ist er Mitglied des PEN-Zentrum Deutschlands.

12.7.2021 Jan Behrs