Hans Friedrich Blunck

Blunck, Hans Friedrich.

Bänkelsänger des »Dritten Reichs«

Geboren in Altona am 3. September 1888
Gestorben in Hamburg am 24. April 1961

Die letzten  Zeltwagen der geschlagenen Wandalen schwankten über die Höhe des Bergwegs. Niemand brauchte die Rinder zu treiben; es war, als kennten sie die Gefahr der Felsen in ihren Flanken und wüßten von jeher um diese Stunde der Flucht. Die Hälse weit vorgestreckt, lagen sie im Joch; Geschirrknechte führten sie oder stapften neben den Ächzenden her. Zuweilen lugten unter den Linnendächern angstvoll Frauen und Kinder hervor und klagten oder schalten über die spanischen Wege.

Hans Friedrich Blunck: König Geiserich. Eine Erzählung von Geiserich und dem Zug der Wandalen. Hamburg [1936], S. 7.

Arno Schmidt hat ihn nicht gemocht, weshalb er ihn – durch den Mund einer seiner Figuren – den „Bänkelsängern des Dritten Reiches“ #1 zurechnete: Hans Friedrich Blunck, dessen enge Beziehung zum Nationalsozialismus zu unbezweifelbar ist, als dass sie ernsthaft diskutiert werden könnte. W. Scott Herle stellt bereits im Untertitel seiner Studie zu Blunck fest, er wäre „Poet and Nazi Collaborateur“ gewesen; eine Einschätzung, die sich kaum widerlegen lässt: „The stain of his association with the Nazis has been indelible.“ #2 Blunck erhielt 1933 eine Berufung an die Preußische Akademie der Dichtung, übernahm deren zweiten Vorsitz und wurde im selben Jahr zum Gründungspräsidenten der Reichsschrifttumskammer, in der zwingend Mitglied sein musste, wer sich beruflich mit Büchern beschäftigen wollte. In ihm den repräsentativen Literaturfunktionär des beginnenden „Dritten Reichs“ zu sehen, dürfte daher unter Zeitgenossen wie heutigen Historikern unstrittig sein, doch es kommt noch ein Aspekt hinzu: „Ihre häufig feindselige Einschätzung seiner Person betraf nicht nur seine bereitwillige Annahme dieser Stellen, sondern auch die – in der Tat umstrittene – Qualität mancher seiner Veröffentlichungen.“ #3

Hans Friedrich Blunck kam 1888 in Altona (das damals noch kein Stadtteil von Hamburg war) zur Welt. Er studierte Rechtswissenschaft in Kiel und Heidelberg und wurde 1910 in diesem Fach promoviert; 1912 veröffentlicht er sein erstes Buch Nordmark, eine Sammlung von Balladen, die für sein weiteres Schaffen richtungsweisend sein sollte. Blunck nimmt am Ersten Weltkrieg teil, wird Assessor und Regierungsrat in Hamburg, um schließlich 1925 Syndikus der Universität Hamburg zu werden. Ab 1928 ist er freier Schriftsteller. Er veröffentlicht in großer Anzahl traditionell geschriebene Märchen, Gedichte, Dramen und Prosaarbeiten, oft zu nordischer Mythologie und hanseatischer Geschichte. Hiermit ist er außerordentlich erfolgreich. 1924 gehört er in Bremen zu den Mitbegründern der Kogge, einer Vereinigung vornehmlich anti-moderner, konservativer bis zum Teil völkisch-national gesinnter Autoren, die der niederdeutschen Literatur eine Basis verschaffen wollten; später ist er Mitglied im Eutiner Dichterkreis, einer 1936 gegründeten Schriftstellergruppe, die ebenfalls dem Nationalsozialismus nahestand.

Blunck war nicht Mitglied der NSDAP, als er 1933 zum zweiten Vorsitzenden der Sektion für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste gewählt wurde; der Partei ist er erst 1937 beigetreten. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als seine von 1933 bis 1935 dauernde Zeit an der Spitze der Reichsschrifttumskammer bereits Geschichte war. Zwar hatte Blunck seine Annahme des Kammerpräsidentenamtes davon abhängig gemacht, dass jüdische Schriftsteller nicht ausgegrenzt werden sollten, und er wurde 1935 von seinem Amt abgelöst, weil er im Ausland ein „Konkordat“ für Juden in Deutschland vorgeschlagen hatte. Tatsächlich aber stand Bluncks „privater Antisemitismus“ völlig „außer Frage“. #4

Doch so wichtig die politische Perspektive auch sein mag, sie ist nur ein Aspekt. Letztlich

„verurteilt man Hans Friedrich Blunck als mehr oder minder schamlosen Opportunisten aufgrund seines Eifers, der Kulturpolitik der Diktatur zwecks Förderung der eigenen Karriere zu dienen; diesen Standpunkt teilte auch 1949 die Kieler Entnazifizierungskommission, die ihm als ‚Mitläufer‘ eine Geldstrafe von 10.000 DM auferlegte“ #5.

Der Schriftsteller Werner Bergengruen (1892–1964), der dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstand, greift diesen Aspekt auf, wenn er sich über Blunck äußert:

Er war unermüdlich. Man konnte kaum eine Anthologie, kaum einer Nummer einer Zeitschrift, oft nicht einmal einer Zeitung in die Hand nehmen, ohne dem Namen Blunck zu begegnen. Alles was er schrieb, war von der gleichen Flüchtigkeit und Nichtigkeit, der gleichen Unlesbarkeit und doch der gleichen ungewollten Erheiterungskraft: ein dreibändiges Epos, das die deutsche Geschichte von Wotan bis zu Hitler behandelte: zahlreicher Romane: Märchen und Tierfabeln, nach dem einmal gefundenen Rezept serienweise angefertigt: Erzählungen, Novellen, Dramen: Reden und Aufsätze: Gedichte, deren Abdruck in normalen Zeiten das letzte Winkelblättchen abgelehnt hätte, in einer Menge, die nur erklärbar wird, wenn man annimmt, er habe sie fortlaufend ins Stenogramm diktiert.

Werner Bergengruen: Schriftstellerexistenz in der Diktatur. Aufzeichnungen und Reflexionen zu Politik, Geschichte und Kultur 1940 bis 1963. Hg. v. Frank-Lothar Kroll et al., Oldenburg 2005, S. 115.

In Hamburg hat es sich die Gesellschaft zur Förderung des Werkes von Hans Friedrich Blunck e.V. zur Aufgabe gemacht, „Bluncks vielschichtiges Werk durch sachliche Informationen und hilfreiche Hinweise auf bisher nicht beachtete Fakten aufzuschließen". #6

20.4.2021Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Arno Schmidt: Aus dem Leben eines Fauns. In: Arno Schmidt: Bargfelder Ausgabe, Werkgruppe I, Bd. 1. Zürich 1987, S. 370

2 W. Scott Hoerle: Hans Friedrich Blunck. Poet and Nazi Collaborateur, 1888–1961. Bern 2003, S. 9.

3 Lawrence D. Stokes, Der Eutiner Dichterkreis und der Nationalsozialismus. Neumünster 2001, S. 239.

4 Ebd., S. 244.

5 Ebd., S. 240 f.

6 http://blunck-gesellschaft.de/index.html