Johannes Tralow

Tralow, Johannes; Pseudonym: Hanns Low

Historische Romane zur Völkerverständigung

Geboren in Lübeck am 2. August 1882
Gestorben in Ost-Berlin am 27. Februar 1968

Johannes Tralow war ein Außenseiter mit vielen Begabungen – er schrieb Stücke und Romane, leitete aber auch Theater und inszenierte Aufführungen. „Fast Thomas Manns Altersgenosse und wie dieser aus Lübeck, führten ihn Umwege zur Literatur. Eine dieser Schleifen passierte den Orient. Der ließ ihn nicht mehr los – aber nicht als Staffage abenteuerlich-exotischer Geschichten. Nein, Tralow nahm sich ernstlich der Kultur und des geistigen Umfelds an, sogar der Religionen.“ #1 Am bekanntesten ist er durch seine historischen Stoffe geworden. Tatsächlich war für ihn jeder Geschichtsroman „Gegenwartsliteratur, sofern der Autor nur gegenwärtig denkt, handelt und fühlt“. #2

Johannes Tralow wurde am 2. August 1882 als Sohn eines Kaufmanns und Kürschnermeisters geboren und ging 1898/99 im Lübecker Katharineum zur Schule. Von 1899 bis 1904 hielt er sich „zur Behandlung einer Lungentuberkulose“ #3 in Ägypten auf und „absolvierte in Alexandrien eine kaufmännische Ausbildung. Nach Lübeck zurückgekehrt, arbeitete er zunächst im elterlichen Betrieb.“ #4 Von 1908–1910 war er Chefredakteur des kurzlebigen Lübecker Stadt- und Landboten, siedelte dann aber nach Berlin über, wo er Direktor des Theater Verlags wurde. Es folgten Tätigkeiten als Regisseur, Dramaturg und Direktor an verschiedenen Bühnen, u.a. in Halle/Saale (1915/16), Köln (1919–1923), Hamburg (1929/30) und Hannover (1931–1933). #5 „Während der NS-Zeit lebte er zurückgezogen und schrieb für seinen Lebensunterhalt Abenteuer- und Kriminalromane.“ #6 1932 hatte Tralow die Schriftstellerin Irmgard Keun (1905–1982) geheiratet; die Ehe hielt bis 1937. Nach Kriegsende war Tralow bis 1947 Richter an der Ersten Spruchkammer in Starnberg sowie von 1951 bis 1957 Präsident des P.E.N.-Zentrums Ost und West. „Da er in der Bundesrepublik Deutschland keinen Verleger fand, siedelte er in die DDR über, wo er als freier Schriftsteller lebte.“ #7

Nachdem Tralow zunächst in erster Linie als Theaterautor aktiv war – sein Stück Das Gastmahl zu Pavia wurde 1908 aufgeführt, sein erster Roman Kain, der Heiland erschien 1911 –, beschäftigte er sich später primär mit historischen Stoffen. „Ohne die traditionelle Perspektive aufzugeben, Geschichte aus den Leidenschaften der Helden zu erklären, erschließt sein Hauptwerk, die Osmanische Tetralogie, Aufstieg und Niedergang des Osmanischen Reichs.“ #8 Die vier Romane Roxelane, Irene von Trapezunt, Malchatun und Der Eunuch erschienen zwischen 1942 und 1956. Tralow schrieb rückblickend hierzu: „Ich hoffe, mit meiner Osmanischen Tetralogie es meinen Lesern möglich gemacht zu haben, die türkische Geschichte – vom 13. bis zum 17. Jahrhundert – als einen Teil der europäischen zu begreifen.“ #9 Dieser kulturgeschichtliche Ansatz darf als typisch angesehen werden. „In seinem letzten Roman, Mohammed (1967), versucht Tralow als Ergänzung zum Hauptwerk mit dem Leben des Propheten die Wurzeln des Islam darzustellen.“ #10 Seine Bibliographen Christa und Willy Unger schreiben: „Johannes Tralow hat im Verlaufe von sechs Jahrzehnten seinen künstlerischen Fähigkeiten, seinem faszinierenden Einfühlungsvermögen in historische Zusammenhänge sowie seiner echten humanistischen Gesinnung in vielfältiger Weise Gestalt und Ausdruck verliehen. Er war ein bedeutender Dramatiker und hervorragender Regisseur, er gehört unzweifelhaft zu den erfolgreichsten Autoren großangelegter historischer Romane und novellistischer Sujets. Seine zahlreichen Beiträge zum Theater und zur Literatur zeigen die überaus strengen Maßstäbe auf, die er nicht nur an sein eigenes Schaffen anlegte, sondern mit denen er in gleicher Weise die Leistungen anderer beurteilte.“ #11

Doch Tralow hat Lübeck nie vergessen. In seinem Text Der Beginn blickt er zurück auf seine dort verbrachten Kindheitsjahre:

In meiner Erinnerung an die Silhouette meiner Heimatstadt steht unverwischbar deren höchstgelegene Kirche, St. Marien. Ein massiger Bau, der aus der Entfernung wie Filigran auf mich wirkte. Wer allerdings zu meiner Jugendzeit eine Stadt von oben betrachten wollte, mußte schon den Turm besteigen. So stieg ich denn eines Tages den Einturm der Peterskirche hinauf. Allerdings erschien mir dabei als wesentlich: die Obere Wahmstraße mit meinem Elternhaus.

Johannes Tralow: Der Beginn, zit. n. Johannes Tralow. Leben und Werk, hg. v. Helga Stötzer, Berlin [Ost] 1968, S. 5.

Die Obere Wahmstraße wurde im Krieg zerstört, lebte aber in Tralow weiter:

Aus dem mir als Kind interessantesten Teil meines Elternhauses – der Kürschnerwerkstatt, die im Erdgeschoß gleich hinter dem Laden lag – wurde ich gewohnheitsmäßig entfernt. Dafür bekam ich die so verlockenden weichen Felle wenigstens zu riechen, denn der herbe Geruch von Haar und Leder war immer vorhanden. Der Laden selbst machte sich in den Ohren bemerkbar. Es war die Ladenglocke, die im Grunde uns alle beherrschte.

Ebd., S. 11.

Das Geschäft der Eltern ist für das Kind Ausgangspunkt für ausgedehnte Erkundungstouren durch die Lübecker Altstadt:

Mit drei Jahren entdeckte ich den Hafen; den kleinen Böge, den Sohn unseres Bäckers, hatte ich kurzerhand verführt, mitzukommen. Zum Widerstand war er zu schwach. Von der Petrikirche ging es die Treppen hinunter zur Holstenstraße, und dann öffnete sich mir das Herz, weil wir am Straßenende den Hafen schon sahen. Schiffe waren meine ganze Wonne, und davon gab es dort genug. Freilich hatten sie sich nicht auf meinen Besuch durch Reinigungsprozeduren vorbereitet. Ich kam also am späten Nachmittag, unter Umgehung des Mittagessens, nach Hause. Meine Mutter behauptete, daß sie Stunden brauchen würde, um meine Grundfarbe wieder herauszukriegen.

Ebd., S. 6.

1967 ist Tralow durch das Ministerium für Kultur der DDR der Professorentitel verliehen worden. Im selben Jahr hat er die Deutsche Friedensmedaille des Friedensrates der DDR bekommen.

24.2.22 Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Rolf Krohn: Der Außenseiter: Johannes Tralow. Zit. n. http://www.rolf-krohn-halle.de/tral/tral_biog.htm.

2 Helga Stötzer (Hg.): Johannes Tralow. Leben und Werk, Berlin [Ost] 1968, S. 26.

3 NN: Tralow, Johannes. In: Wer war wer in der DDR? 5. aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Bd. 2, Berlin 2010. Zit. n. https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/kataloge-datenbanken/biographische-datenbanken/johannes-tralow.

4 Michael Geiger/Red.: Tralow, Johannes. In: Killy-Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, hg. v. Wilhelm Kühlmann. Bd. 11, Berlin/Boston 2011, S. 451–452, hier S. 451.

5 Vgl. Helga Stötzer (Hg.): Johannes Tralow. Leben und Werk, Berlin [Ost] 1968, S. 20–22.

6 Michael Geiger/Red.: Tralow, Johannes, wie Anm. 4.

7 Ebd.

8 Ebd.

9 Johannes Tralow: Der Beginn, zit. n. Johannes Tralow. Leben und Werk, hg. v. Helga Stötzer, Berlin [Ost] 1968, S. 29.

10 Michael Geiger/Red.: Tralow, Johannes, wie Anm. 4.

11 Christa und Willy Unger, Bibliographie. In: Johannes Tralow. Leben und Werk, hg. v. Helga Stötzer, Berlin [Ost] 1968, S. 45–106, hier S. 47.