Paulus Egardus

Egardus, Paulus; auch Paul Egard

Lutherischer Theologe und Schriftsteller

Geboren in Kellinghusen 1578/79
Gestorben in Nortorf 1655

Es ist sicherlich nicht ehrenrührig, davon auszugehen, dass der im 16. Jahrhundert geborene Paulus Egardus im heutigen Schleswig-Holstein kaum mehr gelesen oder auch nur gekannt wird: In Sprache wie Inhalt ist uns der Pastor und Autor reichlich fern geworden, sodass sich nur mehr Spezialist*Innen mit ihm beschäftigen. Dennoch lohnt es sich, an Egardus zu erinnern, dessen gelehrt klingender Name vermutlich eine Latinisierung des im Norden geläufigen „Eggert“ darstellt und dessen Biografie ihn intensiv mit dem Literaturland verbindet: Er wurde 1578 oder 79 in Kellinghusen geboren und ging (nach einem Studium in Rostock) nach Rendsburg, wo er die Lateinschule leitete und an der Marienkirche predigte. 1610 wechselte er nach Nortorf (zwischen Rendsburg und Neumünster), wo er bis zum Ende seines Lebens als Pastor wirkte. Ansonsten ist über sein Leben sehr wenig bekannt, und Bezüge auf die eigene Biografie oder auf die schleswig-holsteinische Landschaft, in der er lebte, sucht man in seinen Texten vergebens.

Egardus‘ erste Veröffentlichungen sind, wenn man so will, Fachliteratur: theologische Traktate auf Latein. Auch seine deutschsprachigen Publikationen, die er ab den 1620er Jahren zu veröffentlichen beginnt, sind religiöser Natur, richten sich aber an ein ganz anderes Publikum: Wie schon die Entscheidung, auf Deutsch zu schreiben, deutlich macht, will er nun weitere Leser*Innenschichten erreichen und in der Volkssprache theologisch schulen. Dieser Absicht liegt seine Überzeugung zugrunde, dass ein rein theoretisches christliches Wissen nicht ausreicht und dass es vielmehr auf praktische seelsorgerische Arbeit ankommt:

Von den Phariseern und Schrifftgelehrten saget Christus: Matth. XXIII,3. Die sagens wol / und thuns nicht. Solch falsch Erkändniß und Bekändeniß ohne Ubung / wird jetzt allenthalben gefunden. Viele wissen zu sagen von der Lehre deß Glaubens und Gehorsams im Glauben / aber wenig sind die solche angreiffen und in eine Ubung bringen. Derohalben ist hochnöthig / daß die Menschen dieser Zeit darzu erwecket / und angetrieben werden / daß sie nicht allein mit dem Namen / sondern auch in der That wahre Christen seyn: Denn das Reich Gottes stehet nicht in Worten / sondern in der Krafft / I. Cor. IV, 20.

Paulus Egardus: Geistlich-Königliches Priesterthum Christi. Nach der heiligen Schrifft […] gezeiget […] von Paulo Egardo, Pastorn zu Nortorff in Holstein. Franckfurt: Faber 1682, S. 3.

Dementsprechend bietet Egardus seinen zahlreichen Leser*Innen eine ganz praktisch gedachte Unterweisung: Die Inhalte sind biblisch und beruhen auf der theologischen Expertise des Verfassers, werden aber in meist recht kurzen Veröffentlichungen in streng systematischer und damit leicht zugänglicher Form vermittelt, wie etwa der Beginn einer zuerst 1649 erschienenen Schrift zeigt:

Wir wollen durch die Gnade GOTtes betrachten diese zehen Haupt-Puncte:

I. Welches der wahre Grund der Rechtfertigung sey.
II. Wie man zu derselbigen komme.
III. Wie sie geschehe.
IV. Wo sie geschehe.
V. In wem sie geschehe.
VI. Warumb und zu was Ende.
VII. Wie erkand werde was sie sey.
VIII. Wie sie behalten werde.
IX. Was sie nütze.
X. Welches ihre Wirckung und Frucht sey.

Paulus Egardus: Das einige Fundament der Ewigen Seligkeit […]. In: Pauli Egardi Geistreicher Schrifften Dritter Theil […]. Samt einer Vorrede D. Philipp Jacob Speners. Giesen: Faber 1683.

Dass die Texte meist in der renommierten Lüneburger Druckerei Stern erschienen, zeigt, dass Egardus mit seiner Vermittlungsstrategie Erfolg hatte: Offenbar bestand eine Nachfrage nach derart pragmatisch aufgebauten lutherischen Schriften. Noch Jahrzehnte nach seinem Tod wurden sie von keinem Geringeren als Philipp Jacob Spener, dem Begründer des lutherischen Pietismus, wieder aufgelegt: Spener zufolge habe Egardus die christliche Lehre „ohne schmählerung und außlassung des nöhtigen“ wiedergegeben, sodass „dessen gedächtnüß bey der Kirchen im segen bleiben solle“. #1

6.6.2022 Jan Behrs

ANMERKUNGEN

1 Philipp Jacob Spener: Vorrede an den Leser. In: Pauli Egardi Geistreicher Schrifften Dritter Theil […]. Samt einer Vorrede D. Philipp Jacob Speners. Giesen: Faber 1683, unpaginiertes Vorwort.