Johannes Biernatzki

Biernatzki, Karl Johannes Christoph.

Evangelisch-lutherischer Geistlicher und Kunsthistoriker

Geboren in Friedrichstadt am 31. Dezember 1849
Gestorben in Hamburg am 5. März 1935

Er stammt aus einer kulturell wie religiös einschlägig bekannten Familie: Der stets „Johannes“ gerufene Pastor und Kunsthistoriker Karl Johannes Christoph Biernatzki, der das nach ihm benannte Quellenverzeichnis für Bau- und Kunstdenkmäler in Schleswig-Holstein erarbeitet hat. Seine grundlegende Arbeit wird bis heute geschätzt, da sie noch immer „der kunsthistorischen Forschung Dienste leistet“.#1

Johannes Biernatzki kommt am 31. Dezember 1849 in Friedrichstadt als eines von neun Kindern des Pastors und Publizisten Karl Leonhard B. (1815–1899) und der Kinderbuchautorin Charlotte Johanna B., geb. From (1820–1892), auf die Welt. Zu seinen Geschwistern gehört der Kieler Buchdrucker und Verleger Karl Friedrich Konstantin B. (1853–1898) sowie der Landwirt, Journalist und Verbandsfunktionär Wilhelm B. (1855–1940); sein Onkel väterlicherseits ist der Jurist, Kommunalpolitiker und Landekundler Hermann B. (1818–1895). Johannes ist nicht mit dem Halbbruder seines Vaters, dem Pastor und Schriftsteller Johann Christoph B. (1795–1840) zu verwechseln, der u.a. den Roman Die Hallig oder die Schiffbrüchigen auf dem Eiland in der Nordsee (1836) veröffentlicht hat.

Biernatzki verbrachte seine Kindheit in Altona, Berlin und Kassel. Nach dem Abitur im März 1869 studierte er in Erlangen, Kiel und Leipzig Theologie und legte – wieder in Kiel – im Herbst 1874 das entsprechende Examen ab. Anfang Dezember trat er eine Adjunktenstelle in Probsteierhagen an; nach zwei weiteren Anstellungen in Olderup und Haddeby „wurde er im November 1878 in Bargum zum Pastor gewählt“. #2 Dort blieb er bis 1892. In diesem Jahr wurde er durch die Vermittlung des einflussreichen evangelischen Theologen Theodor Kaftan (1847–1932) der Geschäftsführer des Landesvereins für Innere Mission in Schleswig-Holstein mit Sitz in Neumünster. Biernatzki publizierte kleinere Schriften, engagierte sich für die Einrichtung ländlicher Volkshochschulen und wurde – wohl nicht zuletzt aufgrund eigener schlechter Erfahrungen – Vorstandsmitglied des in Rendsburg gegründeten Provinzialvereins zur Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke. „Zum Anfang 1899 gab Biernatzki sein Amt ab und nahm in Hamberge bei Lübeck noch einmal ein Pfarramt wahr, ließ sich aber bereits im Frühjahr 1910 emeritieren; den Ruhestand verbachte er in Stellingen und zuletzt in Hamburg-Barmbek.“#3

Für die Landesgeschichte wurde Biernatzki aber in erster Linie durch sein kunsthistorisches Interesse bedeutsam, das zu Reisen nach Italien, Griechenland, Dänemark und Schweden geführt hat. 1884 erhielt er von dem Provinzialkonservator Richard Haupt (1846–1940) den Auftrag, ein Künstlerverzeichnis für die Denkmäler in Schleswig-Holstein zu erstellen; eine Arbeit, die – neben dem direkten Kontakt zu zeitgenössischen Bildhauern – vor allem ein intensives Quellenstudium erforderte:

Bei dieser Arbeit übertrug ich bewußt Grundsätze und Methoden der Arbeit an den Monumenten auf die Dokumente. Es zeigte sich, dass sie die besten seien. Ich suchte nicht, ich nahm nur das vorhandene auf. Ich ging von Gau zu Gau, so ordnete sich alles von selbst zu Gruppen. Der Nachrichten wurde sehr viel. Auch wenig wichtige wurden mit aufgenommen; nicht selten gewannen sie im größeren Zusammenhang Bedeutung.

Johannes Biernatzki: Zur Bereitstellung der Sammlung urkundlicher Nachrichten zur Geschichte der Kunst und des Kunstgewerbes in Schleswig-Holstein in der Landesbibliothek zu Kiel. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte, Bd. 47, Leipzig 1917, S. 470–475; hier: S. 472.

Das Verzeichnis wurde 1899 abgeschlossen. Zudem konnte Biernatzki zahlreiche kleine Beiträge über einzelne Künstler veröffentlichen; auch beteiligte er sich an landesgeschichtlichen Publikationen. Diese Tätigkeit blieb nicht unbemerkt:

Im Ruhestand wandte Biernatzki seine Erfahrungen im Sammeln und Auswerten kunst- und personalhistorischer Quellen auf Hamburg an und erstellte auf Anregung von Justus Brinckmann, dem Gründer des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, für die Hansestadt eine ‚Sammlung urkundlicher Nachrichten zur Geschichte der Kunst und des Kunstgewerbes in Hamburg‘, die unveröffentlicht blieb und heute in dem Hamburger Museum aufbewahrt wird.

Hartwig Molzow: Biernatzki, Karl Johannes Christoph. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Bd. 10, Neumünster 1994, S. 38–41, S. 39.

1924 erhielt Biernatzki für seine Verdienste die Ehrendoktorwürde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, wobei ihn Carl Georg Heise – der damalige Direktor der Hamburger Kunsthalle – als „Vater der Kunstgeschichte Hamburgs“ bezeichnete. Anstelle einer Festschrift wurde ihm die erste Ausgabe des Periodikums Nordelbingen gewidmet, das weiterhin erscheint und heute den Untertitel Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins führt. Zudem gehörte Johannes Biernatzki um die Jahrhundertwende zu den Beratern von Gustav Frenssen.

„Wie andere Mitglieder seiner Familie vollbrachte [er] seine überdauernde Leistung nicht auf dem Gebiet des erlernten Berufs. Seine besondere Begabung und Neigung galt offenbar dem Ermitteln und Ordnen von Datenmaterial.“ #4 Diese nüchterne Tätigkeit hielt ihn nicht davon ab, privat als „exzentrisch“ aufgefasste Verhaltensweisen an den Tag zu legen, die zu einer „von Familienangehörigen erzwungenen Untersuchung seines Geisteszustandes“ führte: „Die Erschütterung darüber verdüsterte seine letzten Jahre.“ #5 Er starb am 5. März 1935.

28.09.2021 Kai U. Jürgens

ANMERKUNGEN

1 Hartwig Molzow: Biernatzki, Karl Johannes Christoph. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, Bd. 10, Neumünster 1994, S. 38–41; hier: S. 39.

2 Ebd., S. 38.

3 Ebd., S. 39.

4 Molzow: Biernatzki, wie Anm. 1, S. 40.

5 Ebd.