Eckernförde

Wissenswertes

Die an Ostsee und Schlei gelegene Stadt Eckernförde zählt mit knapp 22.000 Einwohner*Innen zu den 20 größten Städten Schleswig-Holsteins. Durch ihre Nähe zur Ostsee, dem Windebyer Noor und zur Schlei ist die Stadt ein beliebter Naherholungsort, der auch dank seiner guten Erreichbarkeit der Landeshauptstadt attraktiv ist.

Das Gründungsdatum der Siedlung Eckernförde ist unbekannt, da die Dokumente bei einem Feuer 1416 vernichtet worden sein sollen. Namentlich erwähnt wurde die Siedlung wohl um den Wechsel vom 12. ins 13. Jahrhundert. 1302 wurde sie dann erstmals als Stadt dokumentiert, die im 18. Jahrhundert dank reger Fischerei und anderer Industrieansiedlungen einen wirtschaftlichen Aufschwung erfuhr. Ab 1831 gewann mit Erhalt des Seebad-Status auch der Tourismus an Bedeutung für die Stadt, die Fischerei und Fischverarbeitung blieb aber bis ins späte 20. Jahrhundert wichtig (ein beträchtlicher Anteil der als „Kieler Sprotten“ bekannten beliebten Delikatesse soll vor allem zu Ende des 19. Jahrhunderts aus Eckernförde gekommen sein #1). Zu den wenigen, aber bedeutenden Industrien in Eckernförde zählten etwa die Reederei und internationale Frachtfahrt der Familie Otte sowie deren ziegel-, woll- und fayenceherstellenden Betriebe (vor allem im 18. Jahrhundert). Im 20. Jahrhundert nahm das Militär eine bedeutende Stellung ein. Eckernförde ist Garnisonsstadt und Marinestützpunkt und verfügt außerdem über eine Torpedoversuchsanstalt. Die Bundeswehr ist weiterhin der größte Arbeitgeber der Stadt.

Bis zur wirtschaftlichen und kulturellen Blütezeit im 18. Jahrhundert stand Eckernförde oft im Schatten der wirtschaftlich bedeutenderen Nachbarsstadt Rendsburg. Und nach dem für die Region ereignisreichen 19. Jahrhundert mit dem Schleswig-Holsteinischen Krieg, der als „Tag von Eckernförde“ erinnerten Schlacht am 5. April 1849, der Niederlage der schleswig-holsteinischen Aufständischen 1850, des schließlich 1866 erfolgten Anschlusses Eckernfördes an Preußen und der damit einhergehenden Loslösung von der dänischen Monarchie kam es erneut zu einer Bedeutungsverschiebung der städtischen Handlungsstellungen. Während Kiel an Bedeutung gewann, büßte Eckernförde Relevanz ein.

Auch das 20. Jahrhundert brachte viele Veränderungen mit sich. So verdoppelte sich nicht nur die die Fläche Eckernfördes (zum Teil durch Eingemeindungen wie etwa der von Borby 1934), auch die Population der Stadt nahm vor allem in der Zeit des Zweiten Weltkrieges und den zwei folgenden Jahrzehnten sprunghaft zu. Bis in die 70er Jahre hinein erfuhr das eher wenig zerstörte Eckernförde einen großen Zustrom von Flüchtlingen aus den Ostgebieten Deutschlands und die Einwohnerzahl wuchs um fast 10.000 Personen. Der Wiederaufbau beförderte den Fremdenverkehr und Eckernförde entwickelte sich zu einem beliebten Tourismusort an der Ostsee, der verschiedene landschaftliche und kulturelle Angebote bietet.

In direkter Nähe zum Hafen mit monatlichem Fischmarkt und Ostsee Info-Center liegt Eckernfördes Altstadt mit dem alten Rathaus. Dieses beherbergt heute das Museum Eckernförde, das als historisches, kulturelles und künstlerisches Gedächtnis der Stadt gesehen wird. Die Alte Fischräucherei Eckernförde hält das bedeutsame Kapitel der Stadtgeschichte lebendig. Auch die historische Verbindung zu Dänemark ist weiterhin erfahrbar in der Stadt. Etwa 5% der Eckernförder*Innen ist der dänischen Minderheit zugehörig #2, und Dänisch ist neben dem Hochdeutschen und Niederdeutschen weiterhin präsent in der mehrsprachigen Stadt. Zudem verfügt Eckernförde neben der Stadtbücherei auch über eine Außenstelle der Dänischen Zentralbibliothek für Südschleswig e.V. in der dänischen Jes-Kruse-Schule. Über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist Eckernförde kulturell für sein Naturfilmfestival Green Screen, das jährlich einen Wettbewerb für Naturdokumentationen ausschreibt und verschiedene beliebte Zusatzprogramme und -exkursionen anbietet.

Ein weiteres kulturelles Highlight im Stadtkalender sind die Wilhelm-Lehmann-Tage, die jährlich von der Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft um den Geburtstag des Dichters herum im Mai veranstaltet werden. Während der zweitägigen Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, Diskussionen und Lesungen wird das Werk des Schriftstellers beleuchtet. Alle zwei bis drei Jahre wird zudem der mit derzeit mit 7.500 Euro dotierte Wilhelm-Lehmann-Preis an eine Person mit herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Lyrik vergeben.

Literarisches

Die wohl bedeutendste literarische Persönlichkeit Eckernfördes ist der bereits erwähnte, zu und nach seinen Lebzeiten oft nur wenig geachtete, aber in der Stadt vielfach präsente Wilhelm Lehmann (4.5.1882 - 17.11.1968). Lehmann kam 1923 nach Eckernförde und war hier bis zu seiner Pensionierung 1947 als Studienrat an der Jungmannschule, in dem Gebäude der heutigen Pestalozzischule in der Reeperbahn, tätig. Im gleichen Jahr erhielt er den bedeutenden Kleist-Preis für seine bis dato veröffentlichten Romane und Erzählungen. Seine wohl berühmtesten Werke entstanden aber erst danach, in seiner Schaffenszeit in Eckernförde. Im Roman Der Provinzlärm (erstmals erschienen unter dem Titel Ruhm des Daseins 1953) und dem Bukolischen Tagebuch geben sich die Stadt Eckernförde, ihre Umgebung und die Jungmannschule deutlich zu erkennen. Die Schilderung der Stadt und des Lebens in ihr zeugt dabei selten von Begeisterung. Kay Dohnke etwa hält dazu in Schleswig-Holstein literarisch fest, Lehmanns „‚Eckernförde‘, stets namenlos und eben bezüglich seiner Küstenlage verfremdet [Anm.: in „Die Kastanien“ z.B. siedelte Lehmann den Handlungsort an der Nordsee an], ist literarisch zwar ausgefeilt und in der Sprache meisterhaft beschrieben, trägt dabei jedoch (...) triste Züge“ #3. Dohnke veranschaulicht dies anhand eines Zitats aus Der Provinzlärm, dessen Protagonist Asbahr gern mit Lehmann gleichgesetzt wird:

Fremdheit umgab Asbahr. Er strich durch die Gassen der kleinen Stadt. Ein braunes Fischersegel sperrte den Durchblick einer Querstraße, so nahe lagen die Häuser dem Meer. Aber man konnte nicht ewig stehenbleiben und schauen, man fiel auf als ein Narr. Asbahr ging weiter, klammerte seine Blicke an die kleinen Läden, starrte in die Auslagen des Blumen- und Obstladens, an dem man vorbeikam, wenn man von dem engen Platze, an dem die Schule lag, seitlich abbog, in die Hauptgeschäftsstraße. Er schaute auf die Zyklamen, die kalt blühten, auf die Kränze von Fichtenreisig, die für frierende Gräber bestimmt waren. In kleinen Töpfen steckten künstlich hervorgetriebene, rotgelbe Tulpen, verschrumpft und bang. Über die Reihen der Gestelle, auf deren höchstem er mit aufgestützten Ellenbogen lag, schaute der Ladeninhaber Asbahr mit leeren Augen an. Er grüßte. Sein kleiner Sohn saß in der Sexta. Asbahr grüßte zurück und wandte sich ab. Er wünschte sich, verkleidet, als Unbekannter wandeln zu können wie der Kalif durch seine Stadt.

Zitiert nach Kay Dohnke: Schleswig-Holstein literarisch. Orte und Landschaften in der Literatur. Heide i.H. 1996, S. 27; dieser zitiert aus: Wilhelm Lehmann: Der Provinzlärm. Gesammelte Werke Band 4, Stuttgart 1986, S. 111.

Auch Dietmar Albrecht stellt fest, dass Lehmann das Dichtertum und die Natur um Eckernförde dem Schuldienst und der Stadt selbst stets vorzog. Die Umgebung Eckernfördes scheint Lehmann genügend Ausgleich geboten zu haben. Er bleibt bis auf einen kurzen Zeitraum von 1950-1955 bis zu seinem Tode 1978 in der Stadt und verfasst Gedichte wie dieses:

An der Eckernförder Bucht

Wärme streichelt mein Lid.
Auge, verwandelt, sieht
Durch graues Weidenblatt
Eine italische Stadt.

Silberne Weide gleicht
Einer Olive. Leicht
Wie sie die Blätter rührt,
Werde ich südwärts geführt.

Da der Mittag es zieht,
Schließt sich willig das Lid:
Heißer Zikadenchor
Pocht an das innere Ohr.

[...]

Aus dem zaudernden Dunst
Hebt eine himmlische Gunst
Ostsee, glyzinienblau,
Und italienische Stadt.

Zitiert aus: Horst Kutzer: Das ist die Ostsee. Rendsburg 1998, S. 60 f, dort aus: Wilhelm Lehmann: Gesammelte Werke in acht Bänden. Band 1: Sämtliche Gedichte. Hrsg. v. Hans Dieter Schäfer. Stuttgart 1982.

Neben Auszeichnungen wie dem des Großen Verdienstkreuzes der BRD erhielt Lehmann 1962 auch die Ehrenbürgerwürde der Stadt Eckernförde. Sein Name und sein Gesicht sind in der Kleinstadt weiterhin präsent, z.B. in der unweit der Jungmannschule gelegenen Wilhelm-Lehmann-Straße. Büsten Lehmanns finden sich sowohl auf dem Rathausmarkt der Stadt als auch im Foyer der Jungmannschule. Auch Lehmanns Wohnstätten am Saxtorfer Weg 10, Jungmannufer 16 und in der Lützowstraße 5 (in chronologischer Reihenfolge) können bei einer Entdeckungstour Eckernfördes weiterhin betrachtet werden. Sein Grab findet sich unweit Eckernfördes auf dem Friedhof Westerthal in Windeby.

Eine weitere literarische Bekanntheit Schleswig-Holsteins, die für den Schuldienst nach Eckernförde kam und dort blieb, ist der 1940 in Lunden (Dithmarschen) geborene Karl-Heinz Groth. Der bedeutsame niederdeutsche Schriftsteller war nach kürzeren Lehrzeiten auf Helgoland, in Heide, Büsum und Wyk auf Föhr von 1982 bis zu seiner Pensionierung 2003 als Rektor an der Gorch-Fock-Schule in Eckernförde tätig. Er lebt in Goosefeld, einer kleinen Gemeinde, die südwestlich an Eckernförde grenzt. Auch Groth verfasste den Großteil seines eigenen literarischen Werks sowie Übersetzungen ins Plattdeutsche und Sammlungen, die den Erhalt und die Verbreitung des Niederdeutschen bereichern, in Eckernförde. Zahlreiche Initiativen, in denen Groth mitwirkte oder weiterhin mitwirkt, formen das Stadtleben noch heute; die Wilhelm-Lehmann-Gesellschaft, die er 2004 mitbegründete, ist nur ein Beispiel. Auch als Kommentator in der lokalen Presse war seine Stimme in der Stadt über 30 Jahre hinweg stets vernehmbar.

Ebenfalls ein Lehmann-Kenner ist Jochen Jung, dessen eigenes literarisches Werk einen Platz im Literaturland SH verdient. Der renommierte Jung und Jung-Verleger wuchs in Eckernförde auf und promovierte zu Wilhelm Lehmann, bevor er nach 25 Jahren als Lektor im Residenzverlag 2000 seinen eigenen Verlag gründete und schnell Erfolge feierte. Der prägende Einfluss, den die Nähe zum Meer auf Jung hatte, ist unschwer erkennbar in seinem Roman Wolkenherz (2012), das an einem namenlosen Küstendorf Norddeutschlands angesiedelt ist. Und in seinem ersten Gedichtband Das alte Spiel (2017), erwähnt er das Meer, die Möwen, den Strand und Eckernförde mehrfach in Gedichten, z.B. in diesem charmanten Vergleich:

Multikultitouri

Die Welt vergleicht sich gerne
mit sich selbst: Wen also wundert’s.
New York ist das Paris
des 21. Jahrhunderts.
Galway ist eine Art Sewastopol,
der Ararat der Fuji von Tirol,
und London ist das Frankfurt von Hongkong
und Eckernförde an der Ostsee
das St. Tropez
für Wanne-Eickel.
Man sieht: Vergleich ist immer heikel.

Jochen Jung: Das alte Spiel. Gedichte. Innsbruck 2017, S. 124.

Ganz anders erscheint die Beziehung zu Eckernförde von Autor und Theaterpraktiker Thomas Jonigk. Jonigk, der 1966 in Eckernförde „in eine Arbeiterfamilie geboren“ #4 wurde, zog es noch am Tag der Vergabe seines Abiturzeugnisses 1985 nach Berlin und von dort aus später an weitere renommierte Bühnen in Deutschland und Europa.

Von kurzer Dauer, aber dennoch erwähnenswert sind die Aufenthalte zweier berühmter Persönlichkeiten in Eckernförde: Der schillernde Graf von Saint-Germain verbrachte seine letzten Lebensjahre in Eckernförde und dem nahegelegenen Schloss Louisenlund in Güby. In Eckernförde experimentierte er mit Unterstützung des dänischen Statthalters Landgraf Carl von Hessen in den ehemaligen Otteschen Fabriken mit Farben. Saint-Germain starb 1793 in Eckernförde und wurde in der Sankt-Nicolai-Kirche beigesetzt. Sein Grab existiert heute aber nicht mehr.

Knapp 100 Jahre später absolvierte Detlev Freiherr von Liliencron von 1879 bis 1881 seinen Vorbereitungsdienst zum Veraltungsbeamten in Borby, heute Eckernförde. Wie auch Lehmann wenige Jahrzehnte später war Liliencron inspiriert von der Landschaft, aber wenig angetan vom Provinziellen und Kleinbürgerlichen der Stadt selbst. In einem Brief kommt die Abneigung seinen Kollegen gegenüber unverblümt zutage:

Gestern war ein langweiliger Wirtshaustanz zwischen gebratenen Enten, Wahlgeschrei, Eckernförder Spießbürgern und Commis voyageurs. Heute morgen fing die Arbeit an. Täglich von 8 bis 12 und 2 bis 6. Recht langweilig! Doch hat der kleine Gardeoffizier Landrat Gott sei Dank etwas Geist – während der Kreissekretär und das Bureaupersonal mir stets unendlichen Stoff zum inneren Lachen geben. Wenn Du gesehen hättest, mit welcher Feierlichkeit ich inauguriert wurde, so hättest selbst Du lachen müssen. Das Mittelalter war nichts dagegen. Der Kreissekretär – ein echter altpreußischer Bureaukrat mit seiner Gewissenhaftigkeit, Fleiß, Treue, Ehrlichkeit und zugleich jene unglaublich lächerliche Überhebung, die mir viel Stoff zu boshaften Epigrammen gibt. Heute morgen meine Vereidigung. Die Sachen, die ich bearbeite, sind gleichfalls von so fabelhafter Kleinkramlächerlichkeit, daß ich mich aufs äußerste zusammennehmen muß, um ernst zu bleiben.

Brief an Helene von Bodenhausen vom 7. Oktober 1879, zitiert nach aus dem Artikel „Liliencron, Detlev von“ in ECKernförde-Lexikon, hrsg. von der Heimatgemeinschaft Eckernförde e.V., in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Regionalgeschichte der CAU Kiel, Husum 2014, S. 211.

In der Nähe von Liliencrons Wohnort am Jungmannufer 2 – im Übrigen unweit des Hauses, das Wilhelm Lehmann lange am Jungmannufer bewohnte – zeugt heute der Liliencronweg von seiner Verbindung zur Stadt.

In der Umgebung

Eckernförde liegt weniger als 30 Autominuten von drei größeren Städten literarischer Bedeutung entfernt: In westlicher Richtung erreicht man nach guten 20 Kilometern Schleswig, in südwestlicher Richtung nach etwa 25 Kilometern Rendsburg und Kiel nach 28 Kilometern im Südosten. Dichter an Eckernförde liegen Windeby mit der Grabstätte Wilhelm Lehmanns sowie Sieseby mit der Jurek Beckers.

21.6.2021 Lisa Heyse

ANMERKUNGEN

1 Vgl. ECKernförde-Lexikon, hrsg. von der Heimatgemeinschaft Eckernförde e.V., in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Regionalgeschichte der CAU Kiel, Husum 2014, S. 161 f.

2 Siehe ebd., S. 72 f.

3 Kay Dohnke: Schleswig-Holstein literarisch. Orte und Landschaften in der Literatur. Heide i.H. 1996, S. 26.

4 http://www.thomasjonigk.de/biografie/ (Juni 2021)