Struckum
Wissenswertes
Der ländliche 1.000-Einwohner-Ort Struckum ist eine typische Geestrandsiedlung im Kreis Nordfriesland. Ehemals der Kirchspielslandgemeinde Breklum zugehörig, wurde Struckum 1934 zu einer eigenständigen Gemeinde. Erstmalige Erwähnung fand der Ort 1352.
Vor der Bedeichung der nahegelegenen Breklumer und Wallsbüller Köge um 1500 reichte die Nordsee bis an Struckum heran. Heute bedarf es einer kurzen, etwa zehn Kilometer langen Fahrt durch das Naturschutzgebiet Beltringharder Koog, um bei der Badestelle Lüttmoorsiel das salzige Meer zu genießen. Auf dem Rad lädt Struckum entlang der Ostenautal-Fahrradroute zum Begutachten historischer Haustüren ein. Das bekannteste Bauwerk und Wahrzeichen der Gemeinde ist jedoch die historische Mühle Fortuna. Die 1806 in der Art eines „Kellerholländers“ gebaute Mühle ist denkmalgeschützt und in Privatbesitz.
Literarisches
Von 1973 bis 1998 lebte der Liedermacher Hannes Wader in der Struckumer Mühle Fortuna und bringt die Gemeinde so auf die literarische Landkarte Schleswig-Holsteins.
Wader, der nach einer unglücklichen Verbindung zur RAF Hamburg den Rücken zukehrte, erfuhr von seinem Freund Knut Kiesewetter von der zum Verkauf stehenden Mühle. Nach anfänglichem Zögern (Waders Fazit nach der Erstbesichtigung im nass-kalten Winter war vernichtend: „Es ist mehr als ungemütlich hier drin. Hier zu wohnen – unvorstellbar.“ #1) kaufte er die Mühle kurzentschlossen in den freundlicheren Sommermonaten, ließ sie zu einer Wohnmühle renovieren und erweiterte das Anwesen später um einige Gebäude. Hier lebte Wader in seiner politischen Zeit als DKP-Mitglied und beliebter Künstler der links-alternativen und Arbeiterszene. Auch begann Wader sich in Struckum, beginnend mit der LP Plattdeutsche Lieder (1974), als Volkssänger zu identifizieren. Auf dem Mühlen-Anwesen komponierte und probte er Lieder mit seiner Band. In der Mühle nahm er unter anderem auch 1978 und 1980 das Folk-Friends-Doppelalbum auf.
1998 verkaufte Hannes Wader die Mühle und zog mit seiner Frau und den zwei gemeinsamen jungen Kindern auf einen Resthof in der Nähe von Itzehoe. Von seinem Leben in Struckum und seinen Begegnungen und Beziehungen zu den Einwohnern erzählt Hannes Wader in seiner 2019 erschienenen Autobiographie Trotz alledem. Das Leben als eher exotisches, aber nicht desintegriertes Gemeindemitglied schien ihm meist zu gefallen. Seine Erwartungen an das Dorfleben nach der Abkehr von Hamburg beschreibt er folgendermaßen:
Das Gefühl, nicht unwillkommen zu sein, ist angenehm. Das genügt mir auch. Vielleicht kann ich mich hier einleben, ohne gleich mit der Dorfgemeinschaft zu „verschmelzen“. Mich so oft und wo ich will apart – im Sinne von ungewöhnlich – geben zu können, ist zu dieser Zeit meine Definition von Freiheit. Getratscht, gehetzt, verleumdet wird hier wie überall. Auch hier gibt es die Ohrenbläser. Aber irgendwie gelingt es mir, sie mir vom Leibe zu halten. [...] Das funktioniert über die 26 Jahre, in denen ich die Mühle bewohnen werde, erstaunlich gut.
Immer wieder erinnert sich Wader aber auch an ideologische Unterschiede, vor allem im Hinblick auf die Politik:
Über die für mich vollkommen neuen Entdeckungen, die ich jetzt täglich mache, muss ich unbedingt mit anderen reden, am liebsten tage- und nächtelang darüber debattieren; bloß, dass sich in der Umgebung meines Mühlendomizils kein Schwein für Klassenkampf und dialektischen Materialismus interessiert. [...] Bei geselligen Anlässen im Dorf, Geburtstagsfeiern oder Ähnlichem, zu denen ich eingeladen bin, nerve ich regelmäßig die allesamt konservativ eingestellten Nachbarn, wenn ich zum Beispiel die Stoltenberg-Regierung in Kiel angreife und damit gegen ein hier gültiges Sittengesetz verstoße, das da lautet: „Sup di full und fret di dick ... un holl dien Mul von Politik!“
Zu den Liedern, die Hannes Wader in seiner Zeit in Struckum gedichtet hat und in denen das Leben an der Nordsee erkennbar zu sein scheint, zählt "Schon morgen":
Sag, wie lange haben dein Füße die nackte Erde schon nicht mehr berührt
Haben Jahr und Tag nur Totenstarren, Beton und Asphalt unter sich gespürt
Nun gräbst du endlich wieder deine Zehen, so tief du kannst, in kühlen nassen Sand
Die See füllt deine Spuren mit ihrem Wasser und glättet vor und hinter dir den Strand
In der Umgebung
Struckum liegt in unmittelbarer Nähe zu Breklum (2 km) und Bredstedt (5 km). Mit der Storm-Stadt Husum liegt eine größere Stadt 15 Kilometer entfernt und bis auf die Halbinsel Nordstrand sind es knapp 20 Kilometer.
4.6.2021 Lisa Heyse
ANMERKUNGEN
1 Hannes Wader: Trotz alledem. München 2019, S. 397.
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