Breklum

Wissenswertes

Entlang der Grünen Küstenstraße (B5) zwischen Bredstedt und Husum im Kreis Nordfriesland gelegen, ist die Hauptfunktion der gut 2300 Einwohner*innen zählenden Gemeinde Breklum heute vor allem die Wohnnutzung. Breklum, dessen frühgeschichtliche Zeugnisse in die jüngere Steinzeit zurückgehen, blickt aber auch auf eine landwirtschaftliche und kirchliche Tradition zurück. Vor allem letztere verschafft dem Ort noch heute überregional Bekanntheit.

Über 800 Jahre lang, bis 1934, war Breklum ein Kirchspiel und die Breklumer Kirche lange Zeit ein wichtiges Zentrum der Nordergoesharde. Die um 1200 errichtete Kirche gilt als besonderes Bauwerk der Backsteinromanik und ist ein Kulturdenkmal. Neben der Breklumer Kirche ist das Zentrum für Mission und Ökumente – Nordkirche weltweit von großer Bedeutung für die Gemeinde. Das Zentrum wurde 1876 vom damaligen Pastor Christian Jensen als Schleswig-Holsteinische Evangelisch-Lutherische Missionsgesellschaft gegründet. Zwischenzeitlich war es auch bekannt als Nordelbisches Zentrum für Weltmission und Kirchlichen Weltdienst / Nordelbisches Missionszentrum. Diente es lange Zeit vorrangig der Ausbildung und Entsendung von Missionaren, so zeigt sich in seiner heutigen Funktion verstärkt die Verpflichtung zu sozialer Verantwortung, zum interreligiösen Dialog und zur Vernetzung von Kirchen, ökumenischen Einrichtungen und Nicht-Regierungs-Organisationen weltweit. Das historische Gebäude in der Kirchenstraße 4 hat heute als ökumenische Tagungs- und Bildungsstätte Christian Jensen Kolleg weltweit einen Namen. Dort befindet sich auch eine Eine-Welt-Ausstellung.

Landschaftlich zeichnet sich Breklum durch einen alten Baumbestand und seine Lage am Übergang von Marsch und Geest aus. Das Naturschutzgebiet Beltringharder Koog an der Nordsee liegt keine 10 Kilometer von Breklum entfernt.

Literarisches

Breklum hat einen berühmten literarischen Sohn, der dem Ort prägend einen Roman gewidmet hat: Uwe Pörksen (geboren 1935). Der heute in Freiburg lebende emeritierte Professor für Deutsche Sprache und Ältere Literatur wurde in Breklum geboren und verbrachte dort seine Kindheit als eines von 13 Kindern des Theologen und Politikers Martin Pörksen. Martin Pörksen war ab 1934 als Missionsdirektor der ev.-lutherischen Missionsgesellschaft in Breklum tätig und zählte in den folgenden Jahren zu den führenden Köpfen der Bekennenden Kirche Schleswig-Holsteins, deren Zentrum in Breklum war. Eben jene geschichtsträchtige Zeit, von 1930 bis 1945, ist auch das Thema von Uwe Pörksens 2016 erschienenen Prosawerk Breklehem. Roman eines Dorfes. Breklum, seine Personen und Institutionen sind im Roman unverkennbar:

Und dann war Breklum „lütt“, ziemlich „lütt“, es ging dort genau genommen nur um die halbe KIRCHENSTRASSE, die in der Dorfmitte auf der neuen Teerchaussee nach rechts in Richtung Kirche abzweigte. Die Chaussee führte auf der Westseite des Landes von Süden nach Norden, von Hamburg-Altona nach Westerland, und bewegte sich an dieser Stelle haargenau zwischen der auf der linken flachen, grünen, von Wassergräben durchzogenen ‚Marsch‘ mit ihren die Nordsee fernhaltenden Deichen, und auf der rechten der trockenen ‚Geest‘ mit der Ausbuchtung des Dorfes und den drumherum liegenden Feldern und Wiesen, Heideflächen, Teichen und Wäldern. Die Wiesen waren hier nicht durch Gräben, sondern durch strauchbewachsene Wälle abgeteilt, sogenannte Knicks, in denen eine vielseitige Tierwelt lebte.

In der besagten halben Kirchenstraße, die auch noch von einem Bahndamm von Süd nach Nord mit einem Tunnel durchquert wurde, machte eine Missionsgesellschaft sich mausig: vorne linke eine niedrige Missionsdruckerei, die von sich reden machen wird, danach links und rechts die Gebäude eines Sanatoriums [...]. Hinterm Tunnel rechts das Missionshaus: roter Backstein [...].

Diese halbe Straße stand auf einem einzigen Wort, das fett gedruckt am Ende des Matthäusevangeliums zu lesen war: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“

Uwe Pörksen: Breklehem. Roman eines Dorfes, Husum 2016, S. 92 f.

Im Roman treffen sich die Familienmitglieder um Familienoberhaupt MaPö (Martin Pörksen) im Jahr 1951 im Studienzimmer des Vaters, wo sie detailliert ihre Erlebnisse und Erinnerungen an die 30er und 40er Jahre besprechen und hinterfragen. Pörksen gibt in einer kurzen Nachbemerkung zum Buch die Leseanweisung, Breklehem nicht als Familiengeschichte zu verstehen, sondern als „Ausguck auf die Zeitgeschichte, ihre Menschen und was sie uns sagte.“ #1 Entlang der Schicksale der Pörksen-Familie und entlang des Bestrebens der Bekennenden Kirche, sich gegen die Gleichschaltung der Religionsgemeinschaften durch die Nationalsozialisten zur Wehr zu setzen, entsteht so die minutiös recherchierte vielstimmige Geschichte Breklums zur Zeit des Nationalsozialismus. Breklum, so verdeutlicht die Lektüre, war zum einen ein typisches Dorf in Nordfriesland, wo die Nationalsozialisten großen Zuspruch fanden. Breklum hatte zum anderen aber auch eine klare, spannungsgeladene Sonderstellung aufgrund der aktiven Verbindung der hiesigen Missionsgesellschaft und der Bekennenden Kirche in Deutschland und Dänemark.

Ungeachtet der schwierigen Thematik des umfassenden Werks, eröffnet Pörksen seinen Roman mit einer Liebeserklärung an die Heimat seiner Kindheit:

Die Ostsee war kein Problem. Aber wenn ich einmal die Westküste berührte, weil ein Ausflug der im Norden lebenden Familie an den Strand vor Husum oder gar auf eine Hallig führte, erwachte das Heimweh. Hier kenne ich es nicht. Dort aber: kaum bin ich einen Außendeich hinaufgegangen und sehe die Flut schimmern, wird mir ganz ernst ums Herz.

Die Landschaft meint es so. Die Worte meiner Kindheit sind mit ihr verwachsen. Auf den Fennen wandern Schatten, aber auch, wo das Gras besonnt ist, hat es einen Ernst, der mich unbeschreiblich anzieht. Weder schwer noch leicht, selbstverständlich ist er. Allem ist sein Schatten eingewachsen, dem Wort Fenne oder Vorland, dem Klei, dieser schweren, manchmal schwarzblauen Erde, die in der Marsch am Schuhwerk klebt, dem Flöten des Brachvolgels oder selbst dem Tirili der Lerche, die sich mit starren Flügeln an der hohen Tonleiter herablässt, an der sie vorher aufgestiegen ist. Sie werfen ihn nicht, sie haben den Schatten in sich. Er ist ihr Grund. Gibt es hier tatsächlich gar keinen Augenender, wie jemand vor Jahrhunderten einmal das Wort ‚Horizont‘ übersetzt hat? Keine Grenze? Es ist zuerst das endlose Flachland, der Rhythmus des kommenden und gehenden Meeres und die Ausdehnung des Himmels über beidem, das Hin-und-her-Schwanken von Land und Meer, was mir die Sprache wegzieht. Ich werde still dort. Die nuancenreiche Eintönigkeit steigt als Rausch in die Glieder. Brüchig kann es hier sein, wild, voll verborgener Leidenschaft. Himmel und Erde gehen ineinander über. Alles hat einen großen Atem. Jeder Graben und Sielzug spiegelt schwebende Himmelswolken.

Und die Leute reden so richtig. Ich bilde mir ein, die meisten von ihnen zu kennen. Ich sehe hin und denke: Woher kennst du die? Ihre Physiognomie passt zur Umgebung wie der Klang ihrer Sprache. Die ist nicht nur richtig, sie ist offen, besonders da, wo sie sich verdeckt ausdrücken, und das tun sie fast immer. Du verstehst jedes Wort. Manchmal glaube ich, dass sie sich parodieren. Sie übertreiben ihre Echtheit.

Uwe Pörksen: Breklehem. Roman eines Dorfes, Husum 2016, S. 10 f.

In der Umgebung

Breklum grenzt entlang der B5 in nördlicher Richtung an Bredstedt und in südlicher Richtung an Struckum. Die nächstgrößere Stadt von literarischer Bedeutung ist das 15 Kilometer südlich gelegene Husum.

28.6.2021 Lisa Heyse

ANMERKUNGEN

1 Uwe Pörksen: Breklehem. Roman eines Dorfes. Husum 2016, S. 443.