Reinfeld (Holstein)

WISSENSWERTES

Die kleine Stadt Reinfeld (ca. 9.000 Einwohner) liegt im Nordosten des Kreises Stormarn, zwischen Bad Oldesloe und Lübeck. Dass der Ort heute als „Karpfenstadt“ bekannt ist, verdankt er seiner Geschichte: 1186 wurde hier ein Zisterzienserkloster gegründet, und die Mönche begannen damit, den Fluss Heilsau aufzustauen, um durch die Karpfenzucht ihre Ernährung sicherzustellen. Diese Tradition wurde auch nach der Auflösung des Klosters beibehalten, und bis heute feiert Reinbek das Karpfenfest, um im Herbst die Fangsaison einzuleiten. Der schmackhafte Fisch lockt den ganzen Winter über Reisende an und ziert – neben einem Abtstab, der auf das Kloster verweist – auch das Wappen der Stadt. Kein geringerer als der Schriftsteller Wolfgang Koeppen berichtet 1958 vom Karpfenessen in Reinfeld und nimmt das Erlebnis zum Anlass seiner Beobachtung, in der Stadt sei – nicht unbedingt im guten Sinne – die Zeit stehengeblieben:

Ich aß im Hotel Stadt Hamburg den fetten Karpfen, dessen Los ich beklagte, mit Sahnemeerrettich wohlzubereitet, er schmeckte auch mir, und am Tisch erinnerte man sich der Versammlungen, der Fahnen und der großen Zeit.

Wolfgang Koeppen: Der Reinfelder Mond. In: Ders.: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Hrsg. v. Marcel Reich-Ranicki. Bd. 4: Berichte und Skizzen I. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1990, S. 10.

Nach Jahrhunderten, in denen das Kloster wuchs und gedieh, wurde es im 16. Jahrhundert aufgelöst, und der Ort fiel an den Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg. In dieser zweiten Phase der Ortsgeschichte wurde aus den Resten des Klosters ein Schloss errichtet, das bis 1775 stand. Die alte Klosterkirche fiel 1635 einem Dammbruch zum Opfer und wurde durch das Gebäude der heute so genannten Matthias-Claudius-Kirche ersetzt, und zwischen Kirche und Schloss wuchs allmählich ein Dorf an, dass 1840 groß genug war, um Fleckensprivilegien zu erhalten. Die 1860er Jahre brachten zwei wichtige Einschnitte in der Geschichte des Dorfes: Reinfeld wurde Teil von Preußen und an die Eisenbahn von Hamburg nach Lübeck angeschlossen. Im Heimatmuseum (Neuer Garten 9) kann man sich nicht nur über die Geschichte des Orts informieren, sondern auch Kunstwerke Reinfelder Künstler*Innen betrachten.

LITERARISCHES

Reinfelds mit Abstand bekanntester literarischer Sohn wurde hier am 15. August 1740 als Sohn des Pastors geboren: Matthias Claudius, der spätere „Wandsbeker Bote“, verbrachte seine Kindheit im Ort und kehrte auch später immer wieder hierhin zurück. Sein Geburtshaus, das von Zeitgenossen als „verfallene, düstere Hütte“ bezeichnete Pastorat, #1 wurde 1782 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Der bis heute populäre Dichter ist in Reinfeld in vielerlei Hinsicht präsent: Die Kirche, eine Grundschule und eine zentrale Straße sind nach Claudius benannt, und am Ufer des Herrenteichs in der Ahrensböker Straße erinnert seit dem 250. Geburtstag im Jahr 1990 eine Gedenkstätte an ihn. Die wuchtig-abstrakte Skulptur von Jörg Plickat verweist auf den Mond, der in Claudius‘ bekanntestem Gedicht aufgegangen ist, und bietet bei genauerem Hinsehen auch ein Porträt des Dichters sowie den Text des Abendlieds.

Der Autor Joachim Mähl kam 1854 nach Reinfeld, um hier als Lehrer zu arbeiten, und blieb bis zu seiner Pensionierung 1889 im Ort. Als Pädagoge wie als Schriftsteller setzte er sich besonders für die Förderung des Niederdeutschen ein; in Reinfeld entstand unter anderem seine Goethe-Nachdichtung Reineke Voss – Ut frier Hand. Auch nach Mähl ist in der Stadt eine Straße benannt.

IN DER UMGEBUNG

Reinfeld liegt zwischen Bad Oldesloe im Westen und der Buddenbrooks-Stadt Lübeck im Osten; beide Orte sind auch per Regionalbahn schnell zu erreichen. Etwa 30 km südöstlich liegt Ratzeburg, wo Ernst Barlach seine Kindheit verbrachte und auch begraben liegt. Auf dem Weg dorthin kann man einen kleinen Abstecher nach Behlendorf machen – hier lebte der Nobelpreisträger Günter Grass für viele Jahre.

24.11.2021 Jan Behrs

ANMERKUNGEN

1 Zitiert nach Martin Geck: Matthias Claudius. Biographie eines Unzeitgemäßen. München: Siedler 2009, S. 15.